Schon die Klimaveränderungen der vergangenen Jahrzehnte haben spürbare Folgen. Und die Auswirkungen dürften bis zum Ende des Jahrhunderts noch gravierender werden, selbst wenn es gelingt die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, so wie es die jüngsten Klimakonferenzen als Ziel ausgegeben haben.
„Schon der bisherige Temperaturanstieg führt zu vermehrt auftretenden Extremwetterlagen“, sagt Susanne Tautenhahn. Stürme, Starkregen und Gewitter seien demnach immer häufiger zu erwarten. Und auch das Erscheinungsbild der Erde verändert sich mit dem Klimawandel. Besonders in den kaltgemäßigten Breiten lässt sich dies bereits jetzt beobachten.
Hier – von Kanada und den USA, über Skandinavien bis Russland und Japan – wachsen derzeit noch die borealen Nadelwälder, die Susanne Tautenhahn am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena untersucht hat. Wie die Wissenschaftlerin, die nun an der Uni Jena forscht, und ihre Kollegen aus Jena, Freiberg, Leipzig, Krasnoyarsk (Russland) und Gainesville (USA) erstmals mit einer Kombination aus Feldstudien und statistischen Modellierungen zeigen, wird der Klimawandel diese Wälder stark verändern.
Heute wachsen in der sibirischen dunklen Taiga vorwiegend Nadelbäume wie Fichten, Tannen und Kiefern. Laubbäume kommen dort heute nur kurze Zeit nach Störungen wie etwa durch Feuer vor, also in einem frühen Stadium der Sukzession, in der verschieden Arten nacheinander gestörte Lebensräume wiederbesiedeln.
Den Erkenntnissen der Forscher zufolge wird die Erderwärmung dort aber eine Kette von Ereignissen in Gang setzen, in deren Folge dort langfristig Laubbäume dominieren dürften. „Die borealen Wälder sind einer der größten Kohlenstoff-Speicher der Erde, wovon zwei Drittel in Sibirien zu finden sind“, sagt Susanne Tautenhahn. Daher sei zu erwarten, dass sich die Änderungen in diesen Wäldern auch auf das Weltklima auswirken.

Waldbrände in der Taiga werden durch den Klimawandel zunehmen

Ursache für den sich abzeichnenden Wandel in der Taiga sind Waldbrände. „Feuer ist ein wichtiger Regulator im natürlichen Entwicklungszyklus der Wälder“, so Tautenhahn. Erst durch die Störung des alten Baumbestandes könnten neue Pflanzen größere Flächen besiedeln. „[blockquote pull=““ align=“left“ attributed_to=“Susanne Tautenhahn, Max-Planck-Institut für Biogeochemie, Jena“ attributed_to_url=“{{attributed_to_url}}“]Doch infolge des Klimawandels werden die Brände etwa durch Blitzeinschläge häufiger und intensiver, und die natürlichen Regenerationsprozesse geraten aus dem Gleichgewicht“[/blockquote], erläutert die Wissenschaftlerin.
In mehreren mehrmonatigen Expeditionen haben Susanne Tautenhahn und ihre Kollegen ehemalige Feuerflächen entlang des Flusses Jenissei in Sibirien untersucht. Sie zählten, wie viele Keimlinge sich seit dem Brand angesiedelt und wie viele alte Bäume das Feuer überstanden hatten, die mit ihrem Samen für neues Wachstum sorgen könnten. Anhand dieser Daten und mithilfe von Satellitenbildern der Region und Informationen über die Schwere der Brände sowie die Zeiträume, die seither vergangen sind, haben die Forscher ein Modell entwickelt, mit dem sich die Regeneration des Waldes erstmals detailliert nachvollziehen lässt.

Kühlung durch eine höhere Albedo und verstärkte Verdunstung

Dabei zeigte sich, dass die Wiederansiedlung von Nadelbäumen limitiert ist, weil sich deren relativ große Samen nur begrenzt ausbreiten. Die Samen werden in der Regel durch den Wind transportiert und können nur relativ kurze Strecken zurücklegen. Das erschwert es Nadelbäumen gerade nach schweren Bränden, die sich über große Flächen erstrecken, die abgebrannten Gebiete flächendeckend neu zu besiedeln. Laubbäume dagegen, deren Samen sehr klein sind und mit dem Wind somit weite Strecken zurücklegen, erobern die baumfreien Flächen deutlich schneller zurück und können diese langfristig auch bis in späte Stadien der Sukzession dominieren. Diesen Vorteil können sie vor allem ausspielen, wenn Feuer intensiver und die zerstörten Gebiete größer werden.
Wie sich dieser Wandels konkret auf das weltweite Klima auswirken könnte, diskutieren die Forscher derzeit intensiv: Sie nehmen an, dass die verstärkte Ansiedlung von Laubbäumen in den borealen Wälder Nordamerikas die Erderwärmung mittelfristig abbremst und die Häufigkeit von Feuern reduziert; langfristig sollte in Nordamerika der Abkühlungseffekt zu einer Abschwächung des Feuerregimes und somit zu einer Wiederbesiedlung durch Nadelbäume führen.
Dagegen vermuten Susanne Tautenhahn und ihre Kollegen für die sibirischen Wälder langfristig einen anderen Effekt. „Wie in Nordamerika sollte es auch in der sibirischen dunklen Taiga durch eine höhere Albedo und höhere Verdunstungskühlung mittelfristig zu einer Abkühlung kommen, die auch global spürbar ist“, sagt die Jenaer Botanikerin. Gleichzeitig werde aber mit dem Zurückdrängen der typisch sibirischen Nadelbäume, die viel Feuchtigkeit in Bodennähe speichern, die Wahrscheinlichkeit für Waldbrände weiter erhöht. „Das kann zu einem sich selbst verstärkenden Prozess werden, der das Ökosystem nachhaltig verändert, so dass sich in Sibirien Laubbäume auch langfristig durchsetzen werden.“ Unklar ist bislang jedoch noch, ob die Taiga mit verändertem Baumbestand mehr oder weniger Kohlenstoff speichern wird. So können die Forscher auch die Folgen des Wandels für das Klima noch nicht genau abschätzen.