Mercedes und what3words haben jüngst ein joined Venture mit einem neuen Adresskonzept für das Navi vorgestellt. Mit dem System soll die Navigationssoftware des deutschen Automobilherstellers Fahrer schnell und unkompliziert an ihr Ziel bringen.
Doch dabei könnte er böse Überraschungen erleben: „arbeite.macht.frei“ oder „frau.kein.gehirn“, wenn ein braver Familienvater in das Navigationssystem in seinen neuen Mercedes der A-Klasse Adressen eingibt. What3Word, das Partnerunternehmen von Daimler, an dem sich der Stuttgarter Autobauer jüngst mit zehn Prozent beteiligt hat, kann, bedingt durch das Zufallsprinzip, politisch unkorrekte Begriffe auswerfen, und dies nicht nur in Deutschland, sondern weltweit.
Dabei hatten Daimler und die deutsche Bahn AG durchaus gute Gründe bei dem britischen StartUp einzusteigen. Es mag einem nicht so vorkommen, aber nahezu der gesamte Planet hat keine navigationsfähigen Adressen. Sind Adressen vorhanden, sind sie oft lang, kompliziert und je nach Sprache in den unterschiedlichsten Schriftzeichen angegeben – im Rahmen der unaufhaltsamen Globalisierung ist das ein echtes Problem. Um Adressen zu vereinfachen und jedem Ort der Welt eine eindeutige Adresse zuzuordnen, hat das britische Unternehmen nun ein Konzept entwickelt, das die Welt in ein Raster mit drei mal drei Meter großen Quadraten aufteilt. Jedes dieser Quadrate wird mit einer zufälligen Kombination aus drei Wörtern versehen. Hinter den drei Wörtern verbergen sich die entsprechenden Geokoordinaten, also die Werte, mit denen Navigationssysteme arbeiten.
Kritische Wortkreationen
Allerdings: Die Benutzung zufälliger Wörter für die Angabe von Adressen in ein Navi ist, kann durchaus kritisch sein: Die Wortkombinationen des britischen StartUps können aus bis zu 50 Zeichen bestehen. Derzeit ist das System in 13 Sprachen angelegt. Das heißt zum Beispiel, das ein Quadrat in der Carlingview in Toronto auf deutsch mit hefte.wäsche.anzuwerben, auf türkisch mit uluslu.samimiyet.planlı oder auf russisch mit пышный.непросто.стереться verzeichnet ist. Insgesamt sollen vierzig Sprachen geplant sein. Das würde bedeuten, das ein Hotel mit internationaler Kundschaft seine Anschrift mit 40 Wortkombinationen abbilden muss.
Allerdings sind nicht die 50 Zeichen in 40 Sprachen der eigentliche Kritikpunkt: Der Stuttgarter Autobauer lässt bei seiner internationalen Kundschaft zu, dass Fahrzeuglenker dem Navigationssystem ihres Autos in Zukunft Kombinationen wie Kopf.neben.körper, Körper.teile.vergraben oder Frau.gehört.küche sagen müssen, um an ihr Ziel zu gelangen. Auch vor der tragischen Geschichte und Gegenwart macht das System mit Arbeite.macht.frei (Schriftzug über dem Eingangstor in Auschwitz), used.concentration.camp, slave.forced.punch oder armed.student.rampage (bewaffnet.student.amoklauf) sind vorhandene Wortkombinationen.
Alternative Lösungen
Dabei ist die Idee, Navigationsdaten digital zu vereinfachen, ist nicht neu. Im Nahen Osten war es lange nicht möglich, Gebäudeadressen in ein Navi einzugeben. Mit Makani beispielsweise existiert ein System mit dem jedes Gebäude in Dubai eine zehnstellige Zahlenkombination bekommen hat. So steht für die Dubai Mall beispielsweise die Kombination 26759 88020.
Ein anderes System kommt aus Deutschland und wird bereits weltweit im Tourismus und in der Logistik angewendet. Hier hat ein Unternehmen den CitoCode entwickelt, welcher eine Geokoordinate in eine nur vier- bis sechsstellige Kombination übersetzt. So steht beispielsweise der CitoCode EWA1 für ein Windrad in Norddeutschland. Das System bietet darüber hinaus noch Echtzeitinformationen und eine virtuelle Bilddatenbank an. Auch hier sind Adressen wie Hass, Fuckme oder so durchaus möglich, sie werden allerdings nicht vom System vorgegeben, sondern sind User-generated.
Daimler sieht selbstverständlich die Vorteile des von ihnen eingesetzten What3Word Systems. „Der Vorteil der Dreiwortadressierung liegt darin, dass auch Adressen eingegeben werden können, für die es keine Postanschrift gibt. Auf die vielen möglichen missverständlichen und politisch unkorrekten Begriffe angesprochen, reagiert man beim Stuttgarter Autobauer gelassen.
Ein Team von Sprachwissenschaftlern habe für jede verfügbare Sprache die Wortlisten, aus denen die Begriffe für Dreiwortadressen generiert werden, entwickelt und geprüft. Von vornherein ausgeschlossen bei der Auswahl von Worten seien Begriffe mit negativen oder offensiven Inhalten. Darüber hinaus seien zum Beispiel Begriffe aus Politik, Religion und Eigennamen nicht in den Wortlisten verfügbar. Die Auswahl der Kombinationen erfolgt über Algorithmen nach dem Zufallsprinzip. Das Risiko von missverständlichen oder sinnverfälschten Wortkombinationen lasse sich allerdings nicht restlos ausschließen. So gebe es zum Beispiel die Kombination „Frauen.ohne.Gehirn“; allerdings ebenso die Zusammenstellung „Männer.ohne.Gehirn“.
Ob man diese Leichtigkeit der Betrachtungsweise in streng orthodoxen oder islamischen Ländern genauso tragen wird, das ließ der Daimler-Sprecher unbeantwortet.