Erstmals haben Potsdamer Wissenschaftler den Bedarf an Bewässerungswasser der letzten 100 Jahre in Deutschland am Beispiel ausgewählter landwirtschaftlicher Kulturen (Sommergerste, Hafer, Winterweizen und Kartoffeln) retrospektiv und modellhaft errechnet. Die Ergebnisse zeigen, dass Anbaufläche und Pflanzenart einen stärkeren Einfluss auf den Bedarf an Bewässerungswasser hatten als die Klimaänderungen. Die Ergebnisse wurden soeben im Fachblatt „Science of the Total Environment“ veröffentlicht.
Weltweit steigt der Bedarf an Bewässerungswasser – auch in Regionen, wo, wie in Teilen Deutschlands, bei relativ geringen Niederschlagsmengen Kulturen mit hohen Wasseranspüchen wie Zuckerrüben und Kartoffeln angebaut werden.
Vor diesem Hintergrund haben Wissenschaftler der Potsdamer Leibniz-Institute für Agrartechnik (ATB) und Klimafolgenforschung (PIK) analysiert, wie sich der Bedarf an Zusatzwasser für die Bewässerung zwischen 1902 und 2010 in Deutschland räumlich und zeitlich verändert hat. Die Fragestellung erlaubte einen Blick in die Vergangenheit der landwirtschaftlichen Produktionsbedingungen von der Zeit des Deutschen Kaiserreichs bis in die Gegenwart. Die betrachteten Kulturen waren Winterweizen, Sommergerste, Kartoffeln und Hafer. Für die Modellierung kam das AgroHyd Farmmodell zum Einsatz, eine am ATB entwickelte datenbankgestützte Software, die in hoher regionaler Auflösung auf globale Boden-, Wetter- und Ertragsdaten zugreift.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Fläche und die Art der darauf angebauten Kulturen einen deutlich stärkeren Einfluss auf den Bedarf an Bewässerungswasser hatte als die klimatischen Veränderungen. Während in Deutschland im Durchschnitt der letzten hundert Jahre die Temperatur jährlich um 0,01 K und der Niederschlag um 1 mm zunahmen, spiegelten sich diese klimatischen Trends nicht unmittelbar in einem veränderten Bedarf an Bewässerungswasser wider. Dies ist unter anderem darin begründet, dass die Verlagerung der Niederschläge von der Vegetationsperiode in die Wintermonate der mengenmäßigen Zunahme an Regenwasser entgegen wirkte. Verändert hat sich auch das Spektrum der angebauten Pflanzenarten. Deutschlandweit waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts Hafer und Kartoffeln die in der Fläche dominierenden Kulturen. Heute ist die Kartoffelanbaufläche um bis zu 90 Prozent zurückgegangen. Dagegen hat der Anbau von Weizen seitdem in der Fläche eine große Ausdehnung erfahren.
Im Durchschnitt der untersuchten 109 Jahre lag der Bedarf an Zusatzwasser auf dem Gebiet der heutigen „Bundesrepublik Deutschland“ bei jährlich 112 mm. Große Unterschiede zeigten sich jedoch regional hinsichtlich der Entwicklung des Zusatzwasserbedarfs – je nachdem welche Pflanzen auf welchen Flächenanteilen angebaut wurden.
Zuckerrüben und Co…
Die Frage, wieviel Wasser künftig für die Bewässerung aufgewendet werden muss, hängt nach den Ergebnissen der Studie maßgeblich davon ab, in welchem Umfang Kulturpflanzen mit hohen Wasseransprüchen angebaut werden. Die Wahl der Pflanzenart ist für Anpassungsstrategien an die zu erwartenden lokalen und zeitlichen Wasserknappheiten von entscheidender Bedeutung. Der Anbau von Kulturen mit hohem Wasserbedarf, wie Zuckerrüben, Kartoffeln und Gemüse, muss mit Bedacht und unter Berücksichtigung des zur Verfügung stehenden Grund- und Oberflächenwassers geplant werden. Dies gilt insbesondere für den Anbau innerhalb eines sich vom Südwesten nach Nordosten Deutschlands erstreckenden Gürtels mit erhöhtem Bedarf an Bewässerungswasser.
Mehr Wasserknappheit in Deutschland
Es ist zu erwarten, dass der Klimawandel auch in Deutschland zumindest lokal zu Wasserknappheit führen wird. Um Ertragseinbußen entgegenzuwirken, wird daher auch der Bedarf an Bewässerung steigen. Eine erhöhte Wassernutzung für die Bewässerung kann den Wasserhaushalt jedoch langfristig gefährden. Aus Sicht der Wissenschaftler ist in Anpassung an den Klimawandel ein strategisches Wassermanagement auf regionaler Ebene erforderlich, um Bewässerungsmaßnahmen auch begrenzend steuern zu können. Dies sollte auch eine Koordination des angebauten Kulturpflanzenspektrums und der Wasserrechte auf regionaler Ebene beinhalten.