Marktupdate: Wie sind die Fortschritte zu bewerten, die bislang während der Klimakonferenz COP26 in Glasgow erzielt wurden? Silvia Dall’Angelo und Louise Dudley von Federated Hermes ziehen eine gemischte Bilanz: Trotz erzielter Fortschritte ist es entscheidend, nicht stehenzubleiben – und sich auf eine einheitliche Richtung zu verständigen. Insbesondere kommt es jetzt darauf an, klare Richtlinien und Ziele zu definieren, an denen sich Wirtschaft, Unternehmen und Investoren orientieren können, um die Netto-Null zu erreichen.

Silvia Dall’Angelo, Senior Economist:

“COP26 nähert sich ihrem Ende und bislang ziehen wir eine gemischte Bilanz. In vielen Bereichen wurden Fortschritte erzielt, vor allem in Bezug auf die Entwaldung, die Methanemissionen und die Einbindung des Finanzsektors. Sowohl der öffentliche als auch der private Sektor haben neue Selbstverpflichtungen formuliert, wobei sich die Initiativen des privaten Sektors durch Dynamik und Kreativität auszeichneten.

Zwar haben sich inzwischen 90 % der Weltwirtschaft verpflichtet, ein Netto-Null-Ziel in den nächsten 30 bis 50 Jahren anzupeilen, doch bleiben die Ambitionen noch hinter den Paris-Zielen zurück. Nach Schätzungen der IEA (Internationale Energieagentur) würden die jüngsten Zusagen der Regierungen einen weltweiten Temperaturanstieg von 1,8°C mit sich bringen, im Vergleich zu den 2,1°C vor der COP26 – doch dieser Wert liegt immer noch über der wichtigen Marke von 1,5°C.

Darüber hinaus erweckt der Mangel an Details, die letztlich nötig sind, um die Verpflichtungen zu untermauern, den Eindruck, als sei die Weltklimakonferenz eine klimadiplomatische Fingerübung gewesen – die ein Defizit an politischem Handlungsspielraum kaschierte. Ein Eindruck, der durch die prominente Abwesenheit von Chinas Präsident Xi noch verstärkt wurde. Zudem wurde die Kluft zwischen Industrie- und Entwicklungsländern kaum angesprochen, die eine ungerechte Lastenverteilung für die Entwicklungsländer darstellt.

Verstärkte Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel

Ein Lichtblick: Der Finanzsektor verstärkt seine Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel, indem er im Rahmen der Glasgow Financial Alliance for Net Zero (GFANZ) ein Finanzvolumen von 130 Mrd. Dollar für eine Netto-Null-Wirtschaft bis 2050 zusagte.

Diese Schlagzeile bewertet die Fortschritte wahrscheinlich über und überlagert zugleich den wichtigen Vorstoß in der Diskussion über grundlegende Punkte wie die Notwendigkeit einheitlicher ESG-Standards und die Rolle der Zentralbanken und Regulierungsbehörden. In dieser Hinsicht kündigte die IFRS Foundation die Einrichtung eines speziellen International Sustainability Standards Board (ISSB) an, während sich das Network for Greening the Financial System (NGFS) dazu verpflichtete, neue und bessere Wege zu erkunden, um Überlegungen zum Klimawandel (und zur biologischen Vielfalt) in die Geldpolitik zu integrieren.

Hoffnungsschimmer: „What happens in Glasgow does not stay in Glasgow“

Letztlich besteht die Hoffnung, dass das, was in Glasgow geschieht, auch weitergeführt wird. Die Gespräche müssen fortgesetzt und vertieft werden und – was besonders wichtig ist – zu konkreten Maßnahmen führen. Die Entwicklungen außerhalb der COP26 und darüber hinaus sind entscheidend.

Für die Zukunft brauchen wir mehr Ehrgeiz, der durch eine solide und zeitnahe Umsetzung untermauert wird – einschließlich detaillierter und umsetzbarer Pläne, die anhand messbarer Zwischenziele streng überwacht werden können. Auch auf der Makroebene benötigen wir einen neuen Rahmen zur Bewertung der Wirtschaftsleistung, der über das BIP hinausgeht und Umwelt- und Sozialstandards einbezieht. Dieser Bewusstseinswandel ist eine Voraussetzung dafür, dass wir den Übergang zu einer nachhaltigen Welt im Rahmen eines fairen und integrativen Prozesses erfolgreich gestalten können.

Louise Dudley, Portfoliomanagerin – Global Equities:

“Sowohl die Länder als auch der Privatsektor sind positive Verpflichtungen eingegangen, die über frühere Ambitionen hinausgehen. Dies verleiht dem Wettlauf zum Netto-Null-Ziel zwar mehr Schwung, doch bleibt die Richtung dorthin weiterhin unklar. Zwar gibt es nach wie vor eine große Bandbreite an politischen Zielen einzuhalten, doch das macht es für globale Unternehmen und Investoren noch schwieriger. Wir unterstützen eine weiterführende Klimapolitik und Regulierung.

Netto-Null-Verpflichtungen von Unternehmen haben sich in den letzten 18 Monaten stark ausgeweitet, sind aber immer noch eine Minderheit, selbst bei Unternehmen in klimakritischen Sektoren. Übergangspläne sind für Unternehmen von entscheidender Bedeutung, und als Investoren werden wir darauf drängen, die Umsetzung dieser Pläne zu beschleunigen, zusammen mit belastbaren, aussagekräftigen Zielen, um die langfristige Wertschöpfung zu unterstützen.

Die Erfolge der Climate Action 100-Initiative sprechen für ein gemeinsames Engagement der Investoren, und die zusätzlichen Koalitionen, einschließlich der Finanzierungszusage zur Einstellung der Entwaldung, werden die Maßnahmen in diesem Bereich beschleunigen. Der TFND-Rahmen wird sicherstellen, dass die Unternehmen genau und transparent über die Risiken für die Investoren berichten.

COP26 hat gezeigt, dass die Verbraucher stärker für die Auswirkungen des Klimawandels sensibilisiert sind und die Unternehmen bereit sind, diese nachhaltigen Ziele zu erreichen. Insbesondere in den Bereichen von Landwirtschaft und Lebensmitteln erwarten wir eine steigende Anzahl von nachhaltigen Investitionsmöglichkeiten. Wir sehen auch Technologieunternehmen als Schlüssel für die Bereitstellung kohlenstoffarmer digitaler Lösungen in der Wirtschaft, um einen schnellen Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft zu ermöglichen. Wir konzentrieren uns zwar auf die Verringerung der Emissionen, sind aber auch an der Entwicklung von Technologien zur Kohlenstoffabscheidung interessiert. Dies ist ein Bereich, der mehr Mittel und Ziele erfordert.”