Genau wie Landpflanzen nutzen auch Algen das Sonnenlicht als Energiequelle. Viele Grünalgen bewegen sich aktiv im Wasser; sie können sich dem Licht nähern oder sich von ihm entfernen. Dafür benutzen sie spezielle Sensoren (Photorezeptoren), mit denen sie das Licht wahrnehmen.
Die jahrzehntelange Suche nach diesen Lichtsensoren führte erstmals 2002 zum Erfolg: Forscher um Georg Nagel (damals am Max-Planck-Institut für Biophysik in Frankfurt) entdeckten und charakterisierten in Algen zwei sogenannte Channelrhodopsine. Es handelt sich dabei um Ionenkanäle, die Licht absorbieren, sich daraufhin öffnen und Ionen transportieren. Benannt wurden sie in Anlehnung an die Sehpigmente von Menschen und Tieren, die Rhodopsine.
Jetzt kennt man ein drittes „Auge“ bei Algen: einen neuen Lichtsensor, der unerwartete Eigenschaften hat. Das berichten die Forschungsgruppen von Professor Armin Hallmann (Universität Bielefeld) und Professor Georg Nagel (Julius-Maximilians-Universität Würzburg) in der Zeitschrift BMC Biology.
Licht verringert die cGMP-Produktion
Die Überraschung: Bei dem neuen Photorezeptor handelt es sich um eine Guanylylcyclase, die durch Licht gehemmt wird. Eine Guanylylcyclase ist ein Enzym, das den wichtigen Botenstoff cGMP synthetisiert. Ist das Enzym aktiv, erhöht sich die cGMP-Produktion stark. Bei der Guanylylcyclase aus den Algen hemmt aber Licht die Aktivität, wodurch sich die cGMP-Konzentration verringert – und genau das passiert auch im Auge des Menschen, sobald dort die Rhodopsine Licht absorbieren.
Reguliert wird der neu entdeckte Sensor von Licht und vom Molekül ATP. Solche „Zweikomponentensysteme“ sind bei Bakterien schon gut bekannt, nicht aber bei höher entwickelten Zellen. Die Forscher haben dem neuen Photorezeptor den Namen „Two Component Cyclase Opsin“ gegeben, kurz 2c-Cyclop. Sie fanden ihn gleich bei zwei Grünalgen, in der einzelligen Chlamydomonas reinhardtii ebenso wie in der mehrzelligen Volvox carteri.
Funktion in Eizellen und Kugelalgen gezeigt
„Seit vielen Jahren gibt es genetische Daten, aus denen wir schließen konnten, dass es in Grünalgen noch viel mehr Rhodopsine geben muss als die zwei bisher charakterisierten“, erklärt Georg Nagel. Allein bei Chlamydomonas reinhardtii seien zwölf Proteinsequenzen den Opsinen zugeordnet, also den Vorstufen der Rhodopsine.
„Bisher konnte aber niemand die Funktion dieser Lichtsensoren demonstrieren“, sagt Nagels Mitarbeiter Dr. Shiqiang Gao. Erst der Forschungsgruppe aus Bielefeld und Würzburg ist das nun gelungen: Sie hat das neue Rhodopsin in Eizellen des Krallenfrosches Xenopus laevis und in die Kugelalge Volvox carteri eingebaut. In beiden Fällen konnte seine Funktion nachgewiesen und charakterisiert werden.
Perspektiven für die Optogenetik
Die Autoren glauben, dass der Lichtsensor 2c-Cyclop neue Möglichkeiten für die Optogenetik bietet. Mit dieser Methodik lässt sich die Aktivität lebender Gewebe und Organismen durch Lichtsignale beeinflussen. Mittels Optogenetik wurden schon viele grundlegende biologische Vorgänge in Zellen aufgeklärt. Mit ihr ergaben sich zum Beispiel neue Einblicke in Mechanismen der Parkinson-Krankheit und anderer neurologischer Erkrankungen. Sie brachte auch neue Erkenntnisse über Krankheiten wie Autismus, Schizophrenie und Depression oder Angststörungen.
Der Würzburger Forscher Georg Nagel und der Biophysiker Peter Hegemann (Humboldt-Universität Berlin) gehören zu den Pionieren der Optogenetik: Sie entdeckten die lichtgesteuerten Ionenkanäle aus Algen und dass man sie in tierische Zellen einbauen und diese dann mit Lichtsignalen steuern kann. Für diese Leistung wurden beide – zusammen mit weiteren Forschern – mehrfach ausgezeichnet.
Einen ungewöhnlichen neuen Lichtsensor haben Wissenschaftler der Universitäten Würzburg und Bielefeld in Grünalgen entdeckt. Er löst eine Reaktion aus, wie sie auch im Auge des Menschen abläuft.
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