von Niclas Oliver Fabry
Die Ukraine-Krise und die durch diesen Konflikt erneut aufgeflammte Diskussion um die Abhängigkeit Deutschlands von russischen Gaslieferungen zeigten in der Vergangenheit deutlich, wie sensibel deutsche Politiker aber auch die Vertreter der EU auf das Thema Energiesparen reagieren.
Die europäische Energiepolitik steckt in einer Klemme, wenn die Mitgliedsstaaten sich im Streit um Berechnungsgrundlagen und Einsparpotenziale verlieren und darüber diskutieren, in welchen Bereichen es am sinnvollsten erscheint, Energie einzusparen. Von den für 2020 als Ziel vereinbarten 20 Prozent sind gerade einmal 18 bis 19 Prozent erreicht. Der Großteil dieser Einsparungen geht dabei von der Industrie aus, für die weniger Energieverbrauch mit geringeren Kosten gleichzusetzen ist.
Anstatt die Anstrengungen zu erhöhen, die gesteckten Energie-Effizienzziele gemeinschaftlich zu verfolgen, bewegen sich die Mitgliedsstaaten jedoch nur langsam. EU-Kommissar Günther Oettinger stellte sogar in Frage, ob die ehrgeizigen Ziele, bis zum Jahr 2030 auf 40 Prozent des Energieverbrauchs verzichten zu wollen, nicht zu hoch gegriffen seien, und brüskierte damit Umweltschutzverbände und die gesamte Energieeffizienz-Branche.
Energieeffizienz muss Kernthema der künftigen europäischen Energiepolitik werden
Kritiker werfen der EU längst vor, die Entscheidungen einzig auf Basis ihrer Budgets zu treffen und so den bequemsten aller Wege zu gehen. Experten sind sich jedoch schon lange darüber einig, dass die Energieeffizienz eines der Kernthemen der zukünftigen europäischen Energiepolitik sein muss. Energie, die eingespart und nicht verbraucht wird, ist mit Abstand die günstigste Form des Energiesparens. Bereits niedrige einstellige Prozentpunkte an Energieeinsparung entsprächen dem Gegenwert mehrerer Millionen Barrel Rohöl oder einem Wert von mehreren Milliarden Euro.
Keine einheitlichen Ziele
Dennoch fällt es den Mitgliedsstaaten der EU schwer, sich auf einheitliche Ziele zu verständigen. Statt sich auf realistische Zielvorgaben zu einigen, wird über die Berechnungsgrundlagen der Einsparziele und deren Anreize diskutiert.
Aber auch die Bevölkerung, die als Energie-Verbraucher einen großen Anteil am gesamten Einsparpotenzial besitzt, vermisst in vielen Bereichen des täglichen Lebens nachvollziehbare Ziele und Größen. Ähnlich wie vor der ersten Ölkrise in den 1970er Jahren, in denen kein Autofahrer von Verbrauchsangaben wie Liter je Hundertkilometer gehört hatte, existiert auch heute keine aussagekräftige Maßeinheit, die den Energieverbrauch beziehungsweise dessen Einsparpotenzial nachvollziehbar verdeutlicht. Vor allem in den eigenen vier Wänden wird dies besonders deutlich.
Großes Potenzial bei Immobilien
Obwohl Immobilien nicht Bestandteil des EU-Emissionshandels (ETS – European Union Emission Trading System) sind, bieten sich hier durch die Modernisierung von Boilern und Hausgeräten sowie die Isolierung und Dämmung von Wänden und Dächern große Einsparungspotenziale. Diese sind von Land zu Land zwar sehr unterschiedlich, insgesamt sprechen Fachleute allerdings von 55 bis 80 Prozent.
Gleichzeitig liegt hierin ein gewaltiges Wachstumspotenzial, von dem die Wirtschaft nicht nur in der Union und auf nationaler Ebene seitens der Industrie, sondern vor allem lokal vor Ort durch Zulieferer und das Handwerk profitieren kann. Gerade die in vielen Gegenden der EU angeschlagene Bauwirtschaft kann sich so zum Wachstums- und Jobmotor entwickeln.
Anreize schaffen
Zur Realisierung dieser Potenziale bedarf es jedoch noch großer Schritte. Es fehlen nicht nur die finanziellen Anreize seitens der Regierungen, damit Immobilien-Besitzer in die Modernisierung ihrer Häuser und Wohnungen investieren, es fehlt vor allem noch am Bewusstsein bei den Menschen. Das Wissen darüber, was es auf Jahre gerechnet bedeutet, in einem Haus zu leben, das eine höhere Energieeffizienz besitzt, ist noch nicht in den Köpfen der Verbraucher verankert. Eine große Hemmschwelle stellt vielmehr sogar die Tatsache dar, dass Investitionen, die jetzt getätigt würden, sich erst sehr viel langfristiger in der Zukunft rechnen.
Die Diskussion um die Energieeffizienz und die Einsparung von Energie wird in der Europäischen Union auch weiterhin kontrovers geführt werden. Deutschland genießt unter den Mitgliedsstaaten eine hohe Reputation. Ohne die deutsche Energiepolitik würde das Bemühen, ehrgeizig gesteckte Ziele zu erreichen noch schwieriger. Auch die Franzosen, die gerade erst einen auf europäischer Ebene viel beachteten neuen Gesetzentwurf veröffentlichten, treiben mit ihren Plänen die europäische Energiepolitik voran. Alle Anstrengungen reichen jedoch nicht, solange derart große Einsparpotenziale wie beispielsweise die Modernisierung der vorhandenen Immobilienstruktur ungenutzt bleiben.
Niclas Oliver Fabry, Journalist aus Essen, war für GreenMag in Brüssel und hat an einem zweitägigen Symposium von Knauf Insulation im Rahmen der EU Sustainable Energy Week teilgenommen.
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