Ob beim Sonntagsausflug, auf dem Weg zur Arbeit oder bei der Essenslieferung vom Restaurant – E-Bikes sieht man mittlerweile immer häufiger. Unter anderem hat ein gestiegenes Gesundheits- und Nachhaltigkeitsbewusstsein in den vergangenen Jahren zu einem außergewöhnlichen Wachstum des E-Bike-Marktes geführt.

Durch die COVID-19-Pandemie und das damit verbundene Bedürfnis nach individueller Mobilität sowie Aktivitäten an der frischen Luft wurde dieser Nutzungstrend noch einmal verstärkt. Wie hoch die Verbreitung von E-Bikes in Europa derzeit ist und welche Gründe Konsumenten zum Kauf bewegen, erfahren Sie im aktuellen Deloitte Sector Briefing.

Die dargestellten Ergebnisse basieren auf einer im Frühjahr 2021 durchgeführten, hinsichtlich Alters- und Geschlechterverteilung repräsentativen Online-Befragung, an der 11.250 Personen ab 16 Jahren aus 20 europäischen Ländern teilgenommen haben.1 In diesem Sector Briefing wird besonderes Augenmerk auf den E-Bike-Markt in der DACH-Region (Deutschland, Österreich und der Schweiz) gelegt. Als Vergleichsmärkte dienen die führenden Fahrradnationen Belgien und die Niederlande.

Deutschland, Österreich und die Schweiz knapp hinter dem Spitzenfeld 

Ein Blick auf die Marktdurchdringung von E-Bikes in den einzelnen Ländern Europas verdeutlicht zwar wesentliche Unterschiede, belegt jedoch auch eine durchaus fortgeschrittene Verbreitung elektrifizierter Fahrräder. Die DACH-Länder liegen dabei bereits im vorderen Bereich. Auf Basis der durchgeführten Konsumentenbefragung gaben 17 Prozent der Teilnehmer in Deutschland an, ein E-Bike zu besitzen. Die Nachbarländer Österreich (18%) und die Schweiz (21%) bewegen sich auf einem ähnlichen Niveau. Dies stellt beispielsweise im Vergleich zu Großbritannien (8%) zwar ein fortgeschrittenes Level dar, liegt jedoch hinter den in Europa deutlich führenden Niederlanden (30%) zurück.

Auch hinsichtlich der aktuellen Verkaufsanteile von E-Bikes am gesamten Fahrradmarkt eines Landes bleiben die DACH-Länder noch leicht hinter den Niederlanden und Belgien zurück. Laut Fahrradverbänden der jeweiligen Länder lag der Anteil der 2020 verkauften E-Bikes an der gesamten Absatzzahl von Fahrrädern in Deutschland bei 39 Prozent, in der Schweiz bei 34 Prozent und in Österreich bei 41 Prozent. In den Niederlanden lag dieser hingegen bei 50 Prozent und in Belgien machten E-Bikes 2019 bereits mehr als die Hälfte der verkauften Fahrräder aus.

Abb. 1: E-Bike-Penetration in ausgewählten Ländern (1,2)

Vor der Pandemie wurde für Deutschland ein mittelfristiger E-Bike-Anteil von 50 Prozent der verkauften Fahrräder von Marktexperten in etwa für die Mitte des aktuellen Jahrzehnts erwartet. Infolge der pandemiebedingt beschleunigten Nachfrage liegt dieser Wert bereits jetzt in greifbarer Nähe. Die Herausforderung für die Branche ist es, aufgrund der komplexen Lieferketten die gestiegene Nachfrage weiterhin bedienen zu können.

Karsten Hollasch

Partner | Leiter Consumer Business

Beratungskompetenz zieht Verbraucher zum Kauf in Geschäfte

Laut dem deutschen Zweirad-Industrie-Verband2 wuchs der jährliche Anteil der online gekauften Fahrräder (E-Bikes und konventionelle Fahrräder) von 15 Prozent 2016 auf 28 Prozent 2020, was laut Marktexperten vor allem auf konventionelle Fahrräder zurückzuführen ist. Die durchgeführte Konsumentenbefragung zeigt, dass der stationäre Handel weiterhin der bevorzugte Vertriebsweg im wachsenden E-Bike-Markt ist. So gaben 72 Prozent der deutschen Teilnehmer in einem hypothetischen Kaufszenario an, den stationären Vertriebsweg für ein E-Bike zu bevorzugen. In Österreich (89%) und der Schweiz (91%) ist der Anteil sogar noch größer. Mit Blick auf den aggregierten DACH-Markt zeigt sich, dass neben E-Bikes (82%) nur Skier (82%) und Laufschuhe (72%) einen ähnlichen Vorzug für den stationären Kaufkanal aufweisen. Dies ist bedingt durch den Preis, die verhältnismäßig hohe Komplexität des Produktes sowie die zukünftige Servicekomponente.

 

Zwar mussten die Konsumenten während der temporären Schließungen der Geschäfte auf den Online-Handel ausweichen. Doch der hohe Anteil des präferierten stationären Kanals zeugt von der Nachfrage nach lokaler Beratungskompetenz für E-Bikes. 

Im Gegensatz dazu bevorzugt ein deutlich höherer Anteil der Konsumenten in anderen Sportbereichen (z.B. Trainingsbekleidung sowie Sport- und Fitnesszubehör) den Kauf über den Online-Kanal.

Karsten Hollasch, Partner | Leiter Consumer Business

Abb. 3: Primäre E-Bike-Kaufgründe in ausgewählten Ländern (1,2)

Motivation zum Kauf eines E-Bikes von Land zu Land unterschiedlich 

 

Ein weiterer Unterschied zwischen den Ländern ergibt sich aus den primären Kaufgründen für E-Bikes. Während vergleichsweise wenige Befragte angaben, das E-Bike für tägliche Besorgungen wie beispielsweise den Einkauf im Supermarkt angeschafft zu haben, gaben auf europäischer Ebene jeweils in etwa ähnlich viele Befragte an, das E-Bike primär für den Arbeitsweg, zur sportlichen Betätigung oder zu Erholungszwecken, beispielsweise für Wochenendausflüge, gekauft zu haben. Letzterer Kaufgrund dominiert mit 33 Prozent der Teilnehmer in Deutschland. In Österreich werden im Vergleich dazu E-Bikes häufiger primär für sportliche Zwecke angeschafft (41%), während in der Schweiz (34%), ähnlich wie in den Niederlanden und Belgien, eine hohe Zahl der Befragten angab, das E-Bike primär für den täglichen Arbeitsweg gekauft zu haben.

Sechs ausgewählte Treiber für den E-Bike Markt

Der E-Bike-Boom stellt nicht nur einen kurzfristigen Trend dar. Es lässt sich mittlerweile eine nachhaltige Entwicklung in Richtung elektrifizierter Fahrräder erkennen, welche durch verschiedene von der Pandemie beschleunigte Trends und Einflüsse getrieben wird. So ermöglicht beispielsweise das E-Bike-Leasing über den Arbeitgeber vielen Arbeitnehmern einen vergünstigten Zugang zu meist qualitativ hochwertigen E-Bikes. Laut unserer Konsumentenbefragung lag der Anteil von Leasing-Rädern an den in Deutschland im Umlauf befindlichen E-Bikes im Februar/März 2021 bei rund 5 Prozent. Auch hier bewegen sich die Schweiz (5%) und Österreich (3%) auf einem ähnlichen Niveau.

Im Gegensatz hierzu lag die Quote in Großbritannien und Irland sogar oberhalb von 10 Prozent, auch wenn die Penetrationsquote von E-Bikes in beiden Ländern noch vergleichsweise gering ist.

Durch technische Weiterentwicklungen und infrastrukturelle Maßnahmen werden zusätzlich die Anwendungszwecke und entsprechend die Zielgruppe erweitert. So erschließt das E-Bike auch neue Personengruppen, welche sich vorher beispielsweise aus gesundheitlichen oder anderen Gründen kein Fahrrad zugelegt hätten. Weiterhin profitiert der E-Bike-Markt nachfrageseitig von dem steigenden Bewusstsein für nachhaltigere Mobilität, die sich im Vergleich zum Auto ergibt, und einen gesunden Lebensstil. Besonders in urbanen Regionen wenden sich zum Teil Menschen und auch Unternehmen vom traditionellen Kraftfahrzeug ab und nutzen E-Bikes und Lastenräder im Alltag.

Gegenläufig zu den positiven Treibern wirkt sich aufgrund der hohen Nachfrage und der langfristigen Lieferketten die Knappheit von für die Produktion benötigten Teilen und Rohstoffen aus. Bereits Ende 2020 machte die Branche, u.a. auch pandemiebedingt, auf eventuelle Unterversorgungen aufmerksam und die aktuellen Verfügbarkeiten von Fahrrädern – sowohl konventionellen Modellen als auch E-Bikes – belegen diese Restriktionen deutlich. Um den prognostizierten Bedarf bedienen zu können, ist eine mittelfristige Erholung der Lieferkette notwendig.

Die Zeichen stehen auf Wachstum

Sowohl die Befragungsergebnisse als auch die Trends und Treiber spiegeln sich sowohl in der historischen als auch in der prognostizierten Entwicklung des Marktes wider. Laut dem europäischen Dachverband Cycling Industries Europe3 stieg die Anzahl verkaufter E-Bikes in der Europäischen Union und Großbritannien zwischen 2016 und 2019 durchschnittlich um rund 29 Prozent pro Jahr. Im Vergleich dazu ist das Volumen der verkauften konventionellen Fahrräder im gleichen Zeitraum durchschnittlich um rund 3 Prozent zurückgegangen.

Trotz eines leicht gedämpften E-Bike-Wachstums 2019 (23%) und eines bereits hohen absoluten Volumens konnte 2020 noch einmal ein Wachstum von 25 Prozent4 erreicht werden, dies insbesondere bedingt durch die nachfragegetriebenen Entwicklungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie (bspw. Bedarf für Alternativen zu ÖPNV, Drang nach Bewegung an der frischen Luft mit Abstand).

In Deutschland wurde laut Angaben des Zweirad-Industrie-Verbands 2020 sogar ein Wachstum von 1,4 Mio. auf 2,0 Mio. (+43%) verkaufter E-Bikes erreicht, nachdem dieses im Vorjahr noch auf einem ebenfalls hohen Niveau von 39 Prozent lag.

Auch für 2021 prognostiziert der europäische Dachverband einen Anstieg von mehr als 20 Prozent in Europa (Europäische Union und Großbritannien). Es wird davon ausgegangen, dass in den Folgejahren das Wachstum von E-Bikes leicht zurückgeht, was dem natürlichen Zyklus einer ersten Marktsättigung entspricht. In der zweiten Hälfte des aktuellen Jahrzehnts erwartet der europäische Dachverband, dass in der Europäischen Union und Großbritannien erstmals mehr E-Bikes als konventionelle Fahrräder verkauft werden.

 

Erholung der Lieferkette entscheidend für weitere Entwicklung

Nun gilt es für Hersteller und Händler, die Nachfrage zu bedienen. Die Ergebnisse der Konsumentenbefragung haben gezeigt, dass der DACH-Markt gegenüber den führenden Niederlanden und Belgien Potenzial für eine weitere Marktdurchdringung birgt. Dabei sind die unterschiedlichen primären Kaufgründe zu berücksichtigen, auf welche vor allem beim weiterhin dominierenden stationären Verkauf von E-Bikes eingegangen werden kann. Mittelfristig ist für das erwartete Wachstum eine Erholung der Lieferkette entscheidend. Auch der weitere Verlauf der Pandemie wird einen Einfluss auf die zuvor genannten Trends und Treiber und somit auf Nachfrage und Angebot von E-Bikes haben. Sofern eine ausreichende Produktion jedoch sichergestellt werden kann, steht einem weiteren steilen Aufstieg der E-Bikes nichts im Wege.

 

 

1 Es wurden je Land 500 bis 750 Personen befragt, wobei folgende europäische Länder inkludiert wurden: Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Irland, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Schweiz, Spanien, Tschechische Republik, Ungarn.

2 Quelle: Zweirad-Industrie-Verband: „Zahlen – Daten – Fakten zum deutschen Fahrrad- und E-Bike-Markt 2020“, unter: https://www.ziv-zweirad.de/fileadmin/redakteure/Downloads/Marktdaten/PM_2021_10.03._Fahrrad-_und_E-Bike_Markt_2020.pdf (abgerufen am 29.07.2021).

3 Quelle: Cycling Industries Europe: „Bike sales forecasted to grow up to 30 million per year by 2030 following post-COVID investments in cycling“, unter: https://cyclingindustries.com/news/details/new-european-cycling-industry-forecast-shows-huge-growth-in-bike-and-e-bike-sales (abgerufen am 29.07.2021).

 4 Quelle: Confederation of the European Bicycle Industry: „European Bicycle Industry Booming“, unter: https://www.conebi.eu/index.php/2021/07/12/european-bicycle-industry-booming/ (abgerufen am 29.07.2021)