Energiesicherheit ist nicht erst seit der Krise in der Ukraine ein wichtiges Thema innerhalb der EU. Inwieweit kann und will sich die EU von Importen abhängig machen, wie kann man die europäische Gasversorgung sichern? Heute hat die Europäische Kommission ihr Paket zur Sicherung der Energieversorgung vorgestellt.
Es enthält die Vorschläge, wie die EU für die weltweite Energiewende sowie für mögliche Unterbrechungen der Energieversorgung gesichert werden kann. Die Energieversorgungssicherheit ist einer der Eckpfeiler der Strategie für die Energieunion, einer zentralen politischen Priorität der Juncker-Kommission. Verbunden werden sollen diese Maßnahmen mit einer Klimaschutzstrategie.
Entsprechend der Rahmenstrategie vom vergangenen Februar besteht das Ziel der Europäischen Energieunion darin, die Verbraucher in der EU – d. h. Privathaushalte und Unternehmen – mit sicherer, nachhaltiger, unter Wettbewerbsbedingungen erzeugter und erschwinglicher Energie zu versorgen. Dies erfordert einen grundlegenden Wandel der europäischen Energielandschaft. Hier bietet sich die Chance für weitere Innovationen in dem Sektor, die gleichzeitig zur Schaffung von Arbeitsplätzen und Wachstum in der EU sowie zum Schutz unserer Umwelt beitragen können.
Die Versorgungssicherheit ist eine der fünf miteinander verflochtenen und voneinander abhängigen Komponenten der Energieunion. Wichtige Voraussetzungen der Energieversorgungssicherheit sind die Vollendung des Binnenmarkts und ein effizienterer Energieverbrauch. Gleichzeitig ist die Sicherung der Energieversorgung der EU aber auch eng mit den energiepolitischen Entscheidungen ihrer Nachbarn verbunden.
Die Energieunion in der Praxis: Kommission legt Paket zur Sicherung der Energieversorgung vor
Das Paket enthält eine breite Palette von Maßnahmen, mit denen die Krisenfestigkeit der EU bei Störungen der Gasversorgung erhöht werden soll. Diese Maßnahmen umfassen die Drosselung der Energienachfrage, die Steigerung der Energieproduktion in Europa (auch aus erneuerbaren Quellen), die Weiterentwicklung eines gut funktionierenden und vollständig integrierten Energiebinnenmarkts sowie die Diversifizierung der Energiequellen, -lieferanten und -versorgungswege. Darüber hinaus bringen die Vorschläge mehr Transparenz auf den europäischen Energiemarkt und sorgen für mehr Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten.
Das heute vorgelegte Paket zur Sicherung der Energieversorgung steht ganz im Zeichen des neuen globalen und universellen Übereinkommens über den Klimawandel, das am 12. Dezember 2015 von den Staats- und Regierungschefs in Paris angenommen wurde. Das Pariser Übereinkommen gab Unternehmen und politischen Entscheidungsträgern ein deutliches Signal, dass der Umstieg auf saubere Energieträger unumkehrbar ist, und stellte die Weichen für eine weltweite Energiewende.
Der für die Energieunion zuständige Vizepräsident der Europäischen Kommission, Maroš Šefčovič, sagte: „Mit der vor einem Jahr lancierten Strategie für die Energieunion haben wir versprochen, alle Europäer mit sicherer, nachhaltiger und unter Wettbewerbsbedingungen gelieferter Energie zu versorgen. Das heutige Maßnahmenpaket betrifft in erster Linie die Sicherung unserer Energieversorgung, berührt aber alle drei übergeordneten Ziele. Durch die Drosselung unserer Energienachfrage und eine bessere Steuerung unserer Versorgung aus externen Quellen lösen wir unser Versprechen ein und erhöhen die Stabilität des europäischen Energiemarktes.“
[blockquote pull=““ align=“left“ attributed_to=“Miguel Arias Cañete, für Klimapolitik und Energie zuständiger EU-Kommissar“ attributed_to_url=“{{attributed_to_url}}“]„Nach den Gaskrisen von 2006 und 2009, durch die viele Millionen der Kälte ausgesetzt waren, haben wir gesagt: ‚Niemals wieder‘! Aber die Stresstests von 2014 haben gezeigt, dass wir noch viel zu anfällig für größere Störungen der Gasversorgung sind. Die politischen Spannungen an unseren Grenzen führen uns außerdem deutlich vor Augen, dass sich dieses Problem nicht einfach in Luft auflösen wird. Bei den heutigen Vorschlägen geht es um ein zuverlässiges, wettbewerbsorientiertes und flexibles System, in dem Energie über Grenzen hinweg fließt und die Verbraucher von den Vorteilen profitieren können. Es geht darum, zusammenzustehen, um die Schwächsten zu schützen. Und es geht darum, unsere Zukunft mit sauberer Energie zu gestalten: Ich kann Ihnen versichern, dass unser Engagement für eine umweltfreundliche Energiewende unumkehrbar und nicht verhandelbar ist.“[/blockquote]
Woraus besteht das von der Kommission beschlossene Paket?
Verordnung zur Sicherung der Gasversorgung
Gas spielt bei der Umstellung auf eine Wirtschaft mit geringen CO2-Emissionen eine zentrale Rolle und bleibt eine wichtige Komponente im Energiemix der EU. Wegen der derzeitigen Abhängigkeit von Lieferanten aus Drittländern muss sich die EU auf ihren Märkten für eventuelle Störungen der Gasversorgung aber besser wappnen. Um die Vorteile eines liquiden und wettbewerbsbestimmten Marktes vollständig ausschöpfen zu können, muss die Transparenz auf dem Gasmarkt der EU erhöht werden.
Mit Blick auf die Anfälligkeit des Systems schlägt die Kommission vor, bei der Konzeption der Versorgungssicherung von einem nationalen zu einem regionalen Ansatz überzugehen. Mit dem Vorschlag wird zudem zwischen den Mitgliedstaaten ein Solidaritätsgrundsatz eingeführt, um im schweren Krisenfall die Versorgung der Privathaushalte und der grundlegenden sozialen Dienste – etwa der Gesundheitsfürsorge – zu sichern.
Ein Beschluss über zwischenstaatliche Abkommen im Energiebereich
Die EU muss dafür sorgen, dass zwischenstaatliche Abkommen, die ihre Mitgliedstaaten mit Drittstaaten schließen und die für die Sicherheit der Gasversorgung der EU relevant sind, transparenter werden und in allen Punkten mit dem EU-Recht vereinbar sind. Zu diesem Zweck führt sie eine Vorab-Prüfung der Vereinbarkeit solcher Abkommen durch die Kommission ein. So kann überprüft werden, ob das Wettbewerbsrecht und die Rechtsvorschriften über den Energiebinnenmarkt eingehalten werden, bevor die Abkommen ausgehandelt, unterzeichnet und endgültig wirksam werden. Die Mitgliedstaaten müssen noch vor Abkommensunterzeichnung der Stellungnahme der Kommission vollständig Rechnung tragen.
Eine Strategie für Flüssigerdgas (LNG) und die Speicherung von Gas
Europa ist der weltgrößte Importeur von Erdgas. Europa verfügt insgesamt über beträchtliche LNG-Einfuhrkapazitäten – momentan reichen sie aus, um rund 43 % des derzeitigen Gasbedarfs (Stand 2015) zu decken. Allerdings gibt es nach wie vor beträchtliche regionale Unterschiede, was den Zugang zu Flüssigerdgas (LNG) angeht. Die Kommission legt eine Strategie für Flüssigerdgas (LNG) fest, um den Zugang aller Mitgliedstaaten zu LNG als alternative Gasversorgungsquelle zu verbessern. Die wichtigsten Elemente dieser Strategie sind der Aufbau der für die Vollendung des Energiebinnenmarktes strategisch wichtigen Infrastruktur und die Ermittlung der Projekte, die erforderlich sind, um die Abhängigkeit einiger der Mitgliedstaaten von einer einzigen Versorgungsquelle zu beenden.
Eine Strategie für die Wärme- und Kälteerzeugung
Auf die Wärme- und Kälteerzeugung für Gebäude und die Industrie entfällt die Hälfte der insgesamt in der EU verbrauchten Energie. Zu 75 % werden dafür fossile Brennstoffe eingesetzt. Mit der vorgeschlagenen Strategie sollen in erster Linie die Hindernisse für die Senkung der CO2-Emissionen, die durch das Heizen und Kühlen von Gebäuden und in der Industrie verursacht werden, beseitigt werden. Ferner wird darauf hingewiesen, dass sich eine gesteigerte Energieeffizienz und der Einsatz erneuerbarer Energien auf die Sicherheit der Energieversorgung auswirken werden. Eine stärker strategisch ausgerichtete Betrachtung dieses Sektors ist von entscheidender Bedeutung, da die EU ihre Abhängigkeit von Lieferanten aus Drittländern verringern will.
Reaktionen: 
BMWI Staatssekretär Rainer Baake: „Mit ihrem Winterpaket greift die EU-Kommission das wichtige Thema Versorgungssicherheit der Europäischen Union auf. Zentral hierfür sind aus meiner Sicht vor allem ein funktionierender Binnenmarkt, mehr Energieeffizienz und eine Diversifizierung nach Energieträgern, Lieferländern und Versorgungswegen sowie der stetige Ausbau erneuerbarer Energien.
Es ist daher richtig und wichtig, dass die Kommission im Bereich der Gaskrisenvorsorge den marktbasierten Ansatz weiterverfolgt. Regionale Kooperation wird nicht nur im Bereich Strom, sondern auch im Gasbereich immer wichtiger. Hier wird es darum gehen, praxistaugliche Formen der Kooperation zu identifizieren, die zu den Marktrealitäten in Europa passen und die europäische Versorgungssicherheit mit Gas tatsächlich verbessern.
Im Wärme- und Kältemarkt betrachtet die Kommission die Erhöhung der Energieeffizienz und den Ausbau erneuerbare Energien zu Recht gemeinsam, denn nur wenn man beides zusammen denkt, kommt man zu den effizientesten Lösungen.“
Der Wärme- und Kältemarkt wird auch in den bis Ende des Jahres anstehenden Novellen der Effizienzrichtlinie, der Gebäuderichtlinie und der Erneuerbare-Energien-Richtlinie besondere Bedeutung zukommen. Schließlich weist die Europäische Kommission auf die Bedeutung der Kommunikation und des Austausches mit wichtigen Akteursgruppen im Wärme- und Kältemarkt hin und lädt zu verstärkten Anstrengungen der Mitgliedstaaten auch in diesen Bereichen ein.
Annalena Baerbock, klimapolitische Sprecherin der Grünen: Die EU-Kommission bleibt ihrer unambitionierten Linie in Sachen Energie und Klimaschutz treu. Sie behauptet, ihr Energiepaket im Lichte der Pariser Klimabeschlüsse formuliert zu haben. Zentrale Antworten zur Senkung der Energienachfrage bleibt die Kommission schuldig.
Sie hält weiter an fossilen Brennstoffen fest. Bisher ist keine Verbesserung der Energie- und Klimaziele in Sicht, und damit bricht EU-Kommissar Miguel Arias Canete ein zentrales Versprechen nach Paris.
Energieeinsparung ist der Schlüssel für mehr Versorgungssicherheit und Unabhängigkeit von Energieimporten. Wir brauchen endlich ein ambitionierteres Einsparziel.
Die Vorschläge für mehr Transparenz von Gasverträgen gehen in die richtige Richtung. Sie täuschen aber darüber hinweg, dass wir weiter von fossilen Rohstoffen abhängen und diese Abhängigkeit zementieren. Die Energieunion darf keine reine Gas-Union sein, sondern muss eine Klimaunion werden. Wir brauchen fundierte Erkenntnisse über die erwartete Gasnachfrage im Lichte einer europäischen Energiewende. Bisher geht die Kommission von einer zu großen Nachfrage aus und investiert zu stark in fossile Infrastruktur.
Die Bundesrepublik und allen voran ihr Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel müssen die Europäische Kommission bei ihren Anstrengungen für einen gemeinsamen und diversifizierten Energiemarkt unterstützen, statt sie mit deutsch-russischen Hinterzimmerdeals zu unterlaufen. Mit seinen Alleingängen zu Nord Stream II sabotiert Sigmar Gabriel das gemeinsame europäische Vorgehen und die Ziele zur Energieunion. Er verspielt das Vertrauen und den Einfluss auf eine verbesserte Energie- und Klimapolitik.