Fracking ist ein umstrittenes Thema in Deutschland. Nun bezieht auch die Deutsche Gesellschaft Deutscher Chemiker zum vorliegenden Frackinggesetzentwurf Stellung.
Es ist zu begrüßen“, so Thomas Geelhaar, Präsident der Gesellschaft Deutscher Chemiker „dass der Gesetzentwurf vorsieht, die chemische Identität aller Fracking-Additive ohne Wenn und Aber offenzulegen. Das ist ein deutlicher Fortschritt gegenüber Regelungen in den USA, denen zufolge die Identität von Chemikalien nicht deklariert werden muss, wenn sie weniger als 0,1 Prozent der Additiv-Gesamtmenge ausmachen oder wenn sie vertraulich sind. Eine ausnahmslose Offenlegung der chemischen Identität ist unabdingbare Grundlage für weitergehende und notwendige Forschung zur Gefährdungsbeurteilung und muss deshalb integraler Bestandteil des Gesetzesentwurfs sein.“ Die GDCh fordert darüber hinaus, Experten aus der Wasser- und Umweltchemie in die notwendige Forschung und Bewertung mit einzubeziehen.
Geelhaar verweist in diesem Zusammenhang auch auf den Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD zur derzeitigen Legislaturperiode. Darin heißt es u.a., dass die Schiefergasförderung eine Technologie mit erheblichem Risikopotenzial sei, dass die Koalition den Einsatz umwelttoxischer Substanzen bei der Anwendung der Fracking-Technologie ablehne und dass die Entsorgung des Flowbacks aus Frack-Vorgängen […] wegen fehlender Kenntnisse über die damit verbundenen Risiken derzeit nicht verantwortbar sei.
Sichere Entsorgung des Flowbacks bisher ungeklärt
Gravierende Wissenslücken über beteiligte Chemikalien und deren sichere Entsorgung verhindern zurzeit belastbare Bewertungen. Dr. Martin Elsner, Vorsitzender des Fachausschusses der Wasserchemischen Gesellschaft, macht darauf aufmerksam, dass der Entwurf ausschließlich auf Chemikalien-Zusätze zur Fracking-Flüssigkeit fokussiert ist, nicht auf Bohrschlämme und nicht auf Problemsubstanzen, die aus dem gefrackten Gestein emporkommen (in Rückfluss (Flowback)- und Lagerstättenwasser). Dies können von der Formation abhängige, geogene Stoffe oder auch Transformationsprodukte der Fracking-Additive sein. „Da deren Identität und Gefährdungspotenzial noch weitestgehend unbekannt sind, bedarf es weiterer Forschung, damit diese von einer Expertenkommission, wie im Gesetzentwurf vorgesehen, hinreichend berücksichtigt werden können. Ohne diese Kenntnis ist eine Beurteilung des Gefährdungspotenzials, wie sie als Grundlage für die Erlaubnis von kommerziellem Fracking angedacht ist, nach heutigem Stand des Wissens nicht möglich“, so Elsner. Dies betrifft auch das Verpressen von anfallenden Fracking-Abwässern und Bohrschlämmen, was laut Gesetzentwurf eine Gewässerbenutzung darstellt und damit die Kenntnis aller involvierten Stoffe voraussetzt. Im Unterschied zu den Fracking-Additiven ist das Gefährdungspotenzial des Rückflusses aber standortspezifisch, d. h. eine standortunabhängige, allgemeine Beurteilung ist gar nicht möglich.
Konventionelle Wasserbehandlung überfordert
Einen allgemein akzeptierten Stand der Technik, wie im Gesetzentwurf angeführt, gibt es für die Behandlung von Fracking-Abwässern nicht. Weil das Rückfluss- und Lagerstättenwasser außer einem hohen Salzgehalt häufig auch Schwermetalle, radioaktive Nuklide und problematische organische Schadstoffe enthält, ist die Entsorgung selbst in den USA ein noch ungelöstes Problem. Einerseits ist über die langfristigen Risiken des Verpressens bisher wenig bekannt. Anderseits sind konventionelle Behandlungs- und Kläranlagen mit dem salzhaltigen Wasser überfordert. Um nicht in ein ungelöstes Entsorgungsproblem zu steuern, muss eine wissenschaftlich begleitete Erforschung des Fracking zwingend mit einer wissenschaftlich begleiteten Erforschung von Entsorgungstechnologien (ggf. einschließlich der Untersuchung des Gefährdungspotenzials von Verpressungen) einhergehen.
Höchste wissenschaftliche Standards als Voraussetzung
Wissenschaftlich begleitete Fracking-Bohrungen könnten diese Wissenslücken schließen. Damit dies aus wissenschaftlicher Sicht sinnvoll ist, fordert der Fachausschuss der Wasserchemischen Gesellschaft jedoch, dass diese Maßnahmen in ihrer Anzahl und ihrer Natur den Anforderungen an gute wissenschaftliche Praxis folgen müssen und nur nach unabhängiger wissenschaftlicher Begutachtung genehmigt werden dürfen. Daraus folgt, dass jede neue Erlaubnis deutlich machen muss, welche ungelösten Fragestellungen damit beantwortet werden sollen. Die Ergebnisse müssen auf eine nachvollziehbare Weise in die nächste Erlaubniserteilung einfließen, so dass die nächste Operation für Umwelt, Untergrund und Wasserhaushalt sicherer wird. Aus wissenschaftlicher Sicht muss dieses eine zwingende Bedingung für jede neue Erlaubnis sein. Darüber hinaus dürfen nur Erkundungen zugelassen werden, wenn deren Abwasser-Entsorgung von wissenschaftlicher Forschung begleitet, optimiert und zuverlässig realisiert werden kann.
Thomas Geelhaar betont, dass Wissenschaft in diesem Kontext unabhängige Wissenschaft sein müsse, die Informationen über neue Forschungsergebnisse für die breite Öffentlichkeit und über wissenschaftliche Publikationen bereithält und nicht von den beteiligten Unternehmen beeinflusst ist. „Unabhängige Wissenschaftler müssen bei der Konzeption der Erprobungsmaßnahmen beteiligt werden und Zugang haben zu Erprobungsstandort, Daten, Ergebnissen sowie Proben inklusive der angewendeten Fracking-Flüssigkeit, des Rückflusses und des Lagerstättenwassers“, so Geelhaar.
Die GDCh fordert, die Rolle der Wissenschaft zu respektieren
Neben der Unabhängigkeit der beteiligten Wissenschaftler muss jedes Forschungsvorhaben zudem klar definiert sein, vorab unabhängig begutachtet werden und nachvollziehbar zu mehr Sicherheit führen. Allerdings darf die politische Entscheidung über die Durchführung von Fracking-Operationen in konkreten Fällen nicht der Wissenschaft zugewiesen werden (etwa in Form einer Expertenkommission). Dies ist nicht nur haftungsrechtlich problematisch, sondern vernachlässigt auch weitergehende Gesichtspunkte, wie z.B. Landschaftsnutzung. Auch im Einzelfall müssen Entscheidungen deshalb durch eine Genehmigungsbehörde oder politische Entscheidungsträger getroffen werden. Erneut verweist Geelhaar auf den Koalitionsvertrag. Hierin heißt es zu Fracking auch: „Im Dialog mit allen Beteiligten sollen unter Federführung der Wissenschaft Forschungsergebnisse bewertet werden.“ Diese inhaltliche Führungsrolle der Wissenschaft ist nach Meinung der GDCh und ihrer Wasserchemischen Gesellschaft unabdingbar. Und unter den Experten sollten Wasser- und Umweltchemiker nicht fehlen.
Über die GDCh
Die Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) gehört mit rund 31.000 Mitgliedern zu den größten chemiewissenschaftlichen Gesellschaften weltweit. Sie fördert die wissenschaftliche Arbeit, Forschung und Lehre sowie den Austausch und die Verbreitung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse, auch durch transdisziplinäre und internationale Zusammenarbeit. Ferner setzt sich die GDCh für zeitgemäße Aus- und Fortbildung in Schule, Hochschule und im beruflichen Umfeld ein. Die GDCh hat 27 Fachgruppen und Sektionen, darunter die Wasserchemische Gesellschaft, 1926 als „Fachgruppe für Wasserchemie“ im Verein Deutscher Chemiker gegründet. Ihre Mitglieder sind tätig für den wirksamen Schutz, die sinnvolle Nutzung, die zweckmäßige Aufbereitung und Reinigung sowie die sachgemäße Untersuchung und Beurteilung des Wassers.
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