Städte tragen im wesentlichen zum Klimawandel bei. Schon heute lebt etwas mehr als die Weltbevölkerung in Städten. Umso wichtiger ist es, in diesen Siedlungsgebieten das Thema Klimaschutz in den Griff zu bekommen. Klimawandel ist ein Begriff, in dem die Suchmaschine Google 2,3 Millionen Begriffe ausspuckt, beim Thema Klimaschutz sind es allein unter dem deutschen Stichwort 6,4 Millionen Einträge.
Auch viele deutsche und europäische Städte haben sich eine Agenda gesetzt, was den Klimaschutz angeht. Bis 2050 will man – der EU Klimaroadmap folgend – Klimaneutral werden. So auch Frankfurt am Main. Die Stadt hat ganz konkrete Pläne, dieses Ziel in den Griff zu bekommen. So gibt es ein Energiekonzept, das die Mainmetropole zur „Green City“ machen und ihr schon in diesem Jahr den Titel „Europäische Umweltstadt“ einbringen soll.
Mit Hilfe der Förderung durch den „Masterplan 100% Klimaschutz“ des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB, vorher BMU) kann sich die Stadt den Herausforderungen der Energiewende und des 100-prozentigen Klimaschutzes stellen sowie einen konkreten Plan erarbeiten. Das Projekt mit den ersten Umsetzungsmaßnahmen läuft noch bis Ende 2016.
Fraunhofer Institut unterstützt die Stadt
Um die gesetzten Schwerpunkte Energieeffizienz und den Einsatz von erneuerbaren Energien im Strom-, Wärme- und Verkehrssektor voranzutreiben, hat sich das Energiereferat externes Know-how ins Boot geholt. Ein Teil des Teams besteht aus der Arbeitsgruppe Niedrigenergiesysteme , aus der Abteilung Energiesysteme des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP. Die Mitarbeiter beschäftigen sich dort in erster Linie mit der effizienten Energieversorgung von Gebäuden und Gebäudegruppen bis zur Siedlungs- und Stadtebene. »Nach exergetischen Prinzipien werden Bedarfs- und Versorgungsseite im Energiesystem Stadt aufeinander abgestimmt und optimiert«, erklärt der Projektleiter des Fraunhofer IBP, Patrick Schumacher. »Wir wollen in Frankfurt Maßnahmen erarbeiten, die der Stadt eine 50-prozentige Reduzierung des Endenergiebedarfs erlauben und den benötigten Restbedarf aus erneuerbaren Energien gewinnen.« Dabei stehen die drei Sektoren Wärme, Strom und Verkehr im Fokus der Wissenschaftler.
Analyse als Ausgangbasis
Ausgangsbasis ist eine detaillierte Analyse der Verbräuche in diesen drei Sektoren. Dazu lieferten das Energiereferat, Verbände und Unternehmen der Stadt Frankfurt am Main Zahlen. Damit konnten Schumacher und seine Gruppe hochrechnen, welche Energiebedarfe wo, also beispielsweise in Rechenzentren, Gewerbebetrieben, Industrie, Einzelhandel und natürlich auch in den Haushalten, derzeit benötigt, beziehungsweise verbraucht werden. Die Quadratmeterzahlen von Photovoltaik- oder Solaranalagen flossen zum Beispiel ebenso in die Berechnungen ein wie die Anzahl und Verteilung von Passiv- und Plusenergiehäusern, Biomasseanlagen oder Fernwärmeanschlüssen in den einzelnen Stadtvierteln. Außerdem wurden in der Bestandsaufnahme wirtschaftliche oder organisatorische Hemmnisse wie die teilweise mangelnden Fahrradwege oder Ladestationen für E-Bikes berücksichtigt.
Ein weiteres Untersuchungskriterium war der Frankfurter Verkehr: Welchen Anteil haben öffentliche Verkehrsmittel, der Personennahverkehr und welchen Radfahrer und Fußgänger? »Aufbauend auf diese umfangreiche Analyse konnten wir den Status Quo in der Energieversorgung ermitteln und eine Vielzahl an Maßnahmen entwickeln, mit denen sowohl der Energiebedarf als auch die CO2-Emissionen reduziert werden«, so Schumacher.
Nutzung von Geothermie
Die Forscher machten sich bei der Entwicklung der Maßnahmen unter anderem die Gegebenheiten der Stadt Frankfurt zu Nutze. So liegt beispielsweise unter der Innenstadt in 100 bis 140 Metern Tiefe eine Wärmeblase mit Temperaturen von über 20 Grad Celsius. Diese, im zugänglichen Teil der Erdkruste gespeicherte Wärme, genannt oberflächennahe Geothermie oder Erdwärme, kann indirekt genutzt werden – etwa mit Hilfe von Wärmepumpen zum Heizen oder Kühlen verwendet werden. Die Projektverantwortlichen gehen davon aus, dass im Jahr 2050 rund 15 bis 20 Prozent des Wärmebedarfs durch Geothermie gedeckt werden könnte.
Stromfresser Rechenzentren
Zudem findet sich in und um Frankfurt eine größere Anzahl von Rechenzentren. Im Jahr 2010 lag die Gesamtfläche bereits bei 400.000 Quadratmetern. Hochrechnungen haben ergeben, dass bei der linearen Fortführung des Flächenanstiegs von 1995 bis 2010 im Jahr 2050 800.000 Quadratmeter von Rechenzentren belegt wären. Diese verbrauchen einen großen Anteil Strom, sowohl um die Server am laufen zu halten, aber vor allem auch um die dabei entstehende Wärme abzuführen. Anstatt mit dieser Klimatisierung teure Energie einfach weg zu kühlen und damit wertvolle Abwärme einfach verpuffen zu lassen, könnte diese künftig beispielsweise ins Fernwärmenetz eingespeist werden und so das Wasser nahegelegener Schwimmbäder oder sogar ganze Gebäude heizen. Ein ähnlicher Synergieeffekt besteht beispielsweise auch bei der Abwärme aus U-Bahn-Schächten.
Diese Beispiele sind nur Teile des Maßnahmenkatalogs zur Reduzierung von Energie und CO2-Emissionen. »Darüber hinaus entwickeln wir ein komplettes Wärmeversorgungskonzept, eine so genannte Wärme-Roadmap für die Stadt, ein Mobilitätskonzept sowie einen Plan zur Stromeinsparung. Wir werden drei verschiedene Szenarien darstellen, mit deren Hilfe die Klimaschutzziele der Stadt Frankfurt bis 2050 erreicht werden«, erklärt Schumacher den Umfang des Vorhabens. Ein weiteres großes Potenzial schlummert zum Beispiel im Gewerbe-, Handels- und Dienstleistungssektor (GHD-Sektor). Hier könnte ein effizienteres Energiemanagement ebenso große Einsparungen bergen wie im Bereich der Nahmobilität. Anreize zu schaffen, dass die Bürger mehr zu Fuß gehen, Carsharing nutzen oder auf vermehrt ausgebauten Schnellradwegen vom Auto aufs Rad umsatteln, würden sich laut der Fraunhofer-Forscher in jedem Fall positiv auf Energie- und Emissionsbilanz auswirken.
Quartiers- und Stadtteilkonzepte
Neben diesem Generalkonzept sind die Wissenschaftler außerdem an der Entwicklung von drei detaillierten Stadtteilkonzepten beteiligt. Zunächst wird eine energetische Analyse erstellt, die Quartier, Gebäude und Infrastruktur berücksichtigt. Darauf basierend beinhaltet das Arbeitspaket des Fraunhofer IBP die Erstellung von Lösungen, um den Wärmebedarf in den Stadtteilen zu reduzieren und eine maßgeschneiderte Wärmeversorgung aufzuzeigen. Die Identifizierung und Umsetzungsvorbereitung von konkreten Pilotprojekten gehört ebenso zu ihren Aufgaben wie die Ableitung von Synergieeffekten und der Zielabbildung der konkreten Szenarien. Auch hier liegt der Fokus auf der Betrachtung der Wärmebedarfsreduzierung und -versorgung. Gefragt sind innovative Ansätze und Lösungswege für eine grüne Zukunft der Stadt.
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