Seit März befindet sich Deutschland im permanenten Krisenmodus, bedingt durch die COVID-19 Pandemie und die daraus größte wirtschaftliche (Welt)wirtschaftskrise seit Ende 1945.

Anders als in den vorhergegangenen Rezessionen und ökonomischen Schocks der letzten siebzig Jahre gehen die Verwerfungen nicht von den Finanzmärkten oder einzelnen Branchen aus, sondern von einem Virus. 

Für Unternehmen bedeutet dies aufgrund globaler Lieferketten einerseits und medizinischer Sorgfaltspflicht zur Verhinderung der Ausbreitung der Seuche, bislang kaum gekannte Herausforderungen für die Organisation.

Trotz erster Lockerungen wird es in Zukunft um das Agieren mit oder in der Pandemie gehen, die die Weltwirtschaft wahrscheinlich noch Jahre im Griff behalten wird.

Auch wenn es abgedroschen klingen mag, dass jede Krise auch eine Chance beinhaltet, so ist ein halbes Jahr nach dem Beginn des Lockdowns im März 2020 zu erkennen, dass einige Unternehmen besser durch die COVID-19 Krise gekommen sind, als andere. Dies hängt unter anderem mit deren Leadership-Kompetenz zusammen.

Wir sprachen mit Alfred Tolle von The Preston Associates, der seit neuestem an Bord des weltweit agierenden Executive Coaching Unternehmens ist. Zuvor verantwortete der Manager das Skandinavien und Benelux Geschäft von Google, war CEO von Lycos InC, Vice President von Bertelsmann online in Südostasien und Vorstandsmitglied eines der größten Internet- und Medienunternehmen Koreas in Seoul.

Herr Tolle, warum sind einige Unternehmen besser durch die Krise gekommen als andere?

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Unternehmen, die sinnorientiert Handeln (einen starken Purpose haben), besser durch die Krise gekommen sind, als andere, die erst am Anfang dieser Überlegungen stehen. 

Der Unternehmenspurpose gibt die Richtung vor und definiert, welchen Beitrag eine Organisation leistet um die Lebensqualität beziehungsweise den geschäftlichen Erfolg seiner Kunden zu fördern.

Unternehmen, die die Fragen nach den Auswirkungen ihrer Arbeit auf Gesellschaft und Umwelt geklärt haben und wissen, welchen Beitrag die Organisation zu einer lebenswerten Zukunft beisteuert und denen es darüber hinaus gelungen ist einen Identifikationsort für Kunden und Mitarbeiter zu schaffen, sind unserer Erfahrung nach besser durch die Krise gekommen, als diejenigen, die noch vor diesen Hausaufgaben stehen.

Was bedeutet dies für das Leadership?

Eine wichtige Rolle kommt dem sogenannten Mindset – Shift zu. Wir haben in unserer täglichen Arbeit die Erfahrung gemacht, dass vor allem zu Beginn der Pandemie die meisten Organisationen sehr traditionell mit kurzfristigen Maßnahmen wie Kurzarbeit reagierten. Diese Verhaltensweisen haben nicht nur die Betroffenen verunsichert, sondern auch die verbliebenen Mitarbeiter. Jetzt führen sie dazu, dass diese Unternehmen nicht in der Lage sind, die neue Chancen und Möglichkeiten des Aufschwungs mitzunehmen. 

Unternehmen aber, denen es gelungen ist, die erste Phase des Lockdowns nicht reaktiv im Notfallmodus zu durchstehen, sondern aktiv eine Szenarien Planung durchzuführen und so gestalterisch zu wirkend zu einer Haltung der Neuerfindung zu gelangen. Diese Unternehmen stehen heute deutlich besser da und haben größere Chancen zu Wachsen und talentierte Mitarbeiter zu finden.

Was bedeutet dies konkret?

Wissen Sie, ich habe einen Unternehmensleiter getroffen, der mir neulich ins Gesicht sagte, „ich halte nichts von Homeoffice, die Leute liegen da nur auf dem Sofa und ich kann sie nicht kontrollieren.“  Hier scheint Angst eine große Rolle zu spielen, die allerdings aus unserer TPA Sicht und aus den Erfahrungen der letzten Monate komplett unbegründet ist. 

Eine Führungsperson hat aus unserer Sicht die Aufgabe den Druck auf die Mitarbeiter – etwa von den Shareholdern – zu absorbieren, dem Team Klarheit und Rahmenbedingungen zu ermöglichen, die High-Performing Teams und innovative Konzepte möglich machen.

Organisationen können immer dann profitieren, wenn sie die Arbeitgeber/Arbeitnehmer-Beziehung so verändern, dass sie sowohl die physischen, finanziellen, digitalen, aber auch die emotionalem Sicherheitsbedürfnisse erfüllen oder aber in der Krise neu formulieren. 

Das setzt eine neue Führungskultur voraus, die nicht den klassischen, gelernten Rollenmodellen von top-down entspricht….

Nun ja, viele Unternehmen waren schon vorab im Wandel begriffen. Sie haben erkannt, dass die Implementierung von Themen wie die Digitalisierung, die alle Unternehmensbereiche betrifft, ohne flache hierarchische Strukturen, Moderation, Dialog und Kommunikation statt Ansage, Vertrauen statt Kontrolle nicht umzusetzen sind. Kollaborative Modelle und ein durchgehender entrepreneurial Mindest sind wichtige Bestandteile dieses Führungsstils. 

Führung hat etwas mit Vertrauen zu tun, mit Vertrauen in das Unternehmen und die Organisation das Richtige zu tun. Und deshalb, lassen Sie mich noch einmal darauf zurückkommen, ist der UnternehmesSinn oder Purpose so wichtig.

Insofern sind diejenigen Organisationen, die sich schon auf dieser „Journey“ befinden, im Vorteil. Sie können für ihre Mitarbeitern einen Vertrauensvorschuss erbringen. Und wenn Leadership durch Umdenken und Umleiten von Unsicherheiten Innovationen hervorbringen, gelingt es Unternehmen auch das Vertrauen ihrer Stakeholder zu festigen oder neu zu gewinnen. 

Was nehmen wir aus der Corona-Pandemie mit und überführen in unseren normalen Arbeitsalltag?

Nun, es hat sich gezeigt, dass Mitarbeiter in den vergangenen Monaten viele selbständige Entscheidungen treffen mussten. Es geht nun umso mehr die gelebte Agilität beizubehalten und somit Engagement für Innovationen und – noch vor dem Lockdown als unmöglich Angenommenes – jetzt möglich zu machen.