Südafrika macht derzeit eine schwere Energiekrise durch. Das Land am Kap der Guten Hoffnung ist ein typisches Schwellenland, noch leben knapp 40 Prozent der südafrikanischen Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Das Dilemma dieser Staaten: Wie kann man Armutsbekämpfung und globalen Klimaschutz, der ja den Verzicht auf fossile Brennstoffe bedeutet, übereinander bringen?
Wie lebt es sich, wenn jeden Tag zwei bis drei Stunden der elektrische Strom weg ist? Britta Rennkamp hat sich mit den Stromausfällen in Südafrika arrangiert. „Es gibt immerhin gut organisierte Vorwarnungen übers Internet“, erzählt die deutsche Politikwissenschaftlerin, die am Energy Research Centre der Universität Kapstadt arbeitet. Südafrika mache zurzeit eine schwere Energiekrise durch. Trotzdem versuche das Land sich zu politischen Maßnahmen für echten Klimaschutz durchzuringen.
Innerhalb des Projekts „Climate Change Mitigation and Poverty Reduction“ (CliMiP) untersucht Rennkamp als eine von neun Beteiligten Senior Scientists den institutionellen Wandel, der mit solchen politischen Prozessen verknüpft ist – in Südafrika, Mexiko, Thailand und Indonesien.
Entwicklungsperspektive fehlt
In Deutschland denkt man spontan an Solarzellen oder Windkraftanlagen, wenn es um Klimaschutz geht. In der Tat hilft es, wenn Industrieländer vermehrt erneuerbare Energiequellen nutzen. Global betrachtet ist die Fixierung auf technische Lösungen aber zu kurz gegriffen. „In der Debatte fehlt die Entwicklungsperspektive“, stellt Prof. Jann Lay fest, Ökonom am Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien in Hamburg, der das 2013 gestartete Forschungsvorhaben leitet. Darum ist er froh, dass auch Wissenschaftler aus Schwellenländern ihre Erfahrungen in das Projekt einbringen.
Antworten auf drängende Fragen gesucht
Millionen Menschen in den aufstrebenden Schwellenländern wollen sich aus der Armut herausarbeiten. Durch das Wirtschaftswachstum werden dort allerdings immer mehr Treibhausgase freigesetzt. Gerade die Eindämmung dieser Emissionen dürfte über den Erfolg des globalen Klimaschutzes im 21. Jahrhundert entscheiden. Daher lautet die Kardinalfrage: Lässt sich der Klimaschutz mit der Armutsbekämpfung verknüpfen, wie kann man vielleicht sogar eine Win-Win-Situation herbeiführen? Viele Fachleute glauben, dass sich Klimaschutz in Schwellenländern kostengünstiger realisieren lässt als in Industrieländern. Aber würgt das nicht das Wirtschaftswachstum ab? Auf Fragen wie diese will Lay gemeinsam mit seinen internationalen Partnern Antworten suchen, wobei Ökonomen und Politikwissenschaftler zusammenwirken.
Diskussionen über Kohlenstoffsteuer
In Südafrika, so erzählt Rennkamp, werden derzeit in öffentlichen Konsultationen mehrere Varianten diskutiert, wie man eine Kohlenstoffsteuer einführen könnte. Vielleicht ließe sich tatsächlich eine Win-Win-Situation realisieren: Etwa dann, wenn die Steuereinnahmen nicht in den allgemeinen Staatssäckel fließen, sondern die Stromrechnungen armer Haushalte subventionieren. „Entschieden ist aber noch nichts“, sagt die Politikwissenschaftlerin.
Beispiel Mexiko
In einem anderen im Rahmen von CliMiP untersuchten Land ist man schon einen Schritt weiter. Mexiko führte 2014 eine Kohlenstoffsteuer ein. Allerdings wehrten sich Verbände der Zement- und Stahlindustrie sowie des Bergbaus, weil sie Gewinneinbußen fürchteten. So blieb das Gesetz am Ende zahnlos, beobachteten die mexikanischen Projektpartner.
In CliMiP soll es nicht nur um Klimapolitik im engeren Sinne gehen, sondern auch um die ökonomischen Folgen. So wollen die Forscher mithilfe von Umfragen herausfinden, wie Verbraucher auf Preisänderungen reagieren würden, die durch Maßnahmen zum Klimaschutz ausgelöst werden. Außerdem ermitteln sie, wie verschiedene Verbrauchergruppen betroffen wären, zum Beispiel arme oder reiche Teile der Bevölkerung.
Die Schwerpunktländer Mexiko, Südafrika und Thailand wurden für die Untersuchung ausgewählt, weil sie sich ökonomisch besonders rasch entwickeln. Zugleich explodiert ihr Treibhausgasausstoß. „Viele Studien betrachten nur China oder Indien und ignorieren andere Länder – wir wollen das Bild vervollständigen“, sagt Lay. Der Erweiterung der Analyse dient auch eine Fallstudie zu Indonesien. Hier soll gezeigt werden, wie sich die Abschaffung von Subventionen für fossile Brennstoffe gesellschaftlich auswirken würde. Ein Preisanstieg für Flüssiggas würde besonders Teile der ärmeren Bevölkerung Indonesiens in Schwierigkeiten bringen, nennt Lay als ein erstes Ergebnis. Besonders betroffen wären Fischer und die Betreiber der typischen Garküchen auf den Straßen.
Beispiel Thailand
Auch in Thailand nehmen die Wissenschaftler die Folgen der Klimapolitik für die ärmeren Gruppen der Gesellschaft in den Blick und untersuchen die politischen Rahmenbedingungen eingehend. Dass dem Thema im Land keine allzu große Priorität eingeräumt werde, sehe man unter anderem daran, dass die seit 2007 vorbereitete und mehrfach überarbeitete nationale Strategie zum Klimawandel noch immer nicht fertiggestellt ist.
Wie Kridtiyaporn Wongsa, kooperierende Wissenschaftlerin am Public Policy Studies Institute in Chiang Mai zudem feststellt, kann man die Verzögerung zumindest teilweise auf die institutionelle Struktur der Klimapolitik ihres Landes zurückführen. Zentraler Akteur ist das „Office of Natural Resources and Environmental Policy and Planning“ (ONEP) und als solcher auch für den Masterplan zuständig.

Bangkok

Auch Thaliand, hier Bangok, versucht sich weiter zu entwickeln.


„Die Prozesse dort können sehr bürokratisch und kompliziert ablaufen, was für eine abschließende Ausarbeitung eher hinderlich ist“, sagt Wongsa. Vermutlich sähe das anders aus, wenn die Experten der beiden anderen relevanten Institutionen stärker einbezogen und verantwortlich gewesen wären, nämlich die Wissenschaftler und Ingenieure, die für die „Thailand Greenhouse Gas Management Organisation“ und das Energieministerium arbeiten. Das hat zumindest eine erste Analyse der politischen Netzwerke im Rahmen der CliMiP-Forschungen ergeben. Wongsa und ihre Kollegen wollen die Abläufe weiter beobachten und im Detail verstehen, wie klimarelevante politische Entscheidungen entstehen, und auch, woran es bei solchen Prozessen hapert.
Herausforderung Energieversorgung
Wie Südafrika steht auch Thailand vor gewaltigen Herausforderungen, was die Energieversorgung angeht. 2014 mussten 85,19 Prozent des benötigten Rohöls importiert werden. Auch wegen der besseren Umweltwerte setzt das Land nun verstärkt auf heimisches Erdgas; die Vorräte werden aber wohl nur für wenige Jahre reichen, berichtet die Politikwissenschaftlerin. Daher müssten so viele alternative, saubere Energiequellen wie möglich genutzt werden. So untersucht sie in ihrem Projektbeitrag auch, wie überschaubare, lokale Projekte zu der erhofften Win-Win-Situation beitragen können, in der Versorgungssicherheit, Klimaschutz und Armutsverringerung gleichermaßen eine Rolle spielen. Sie führt Interviews mit Dorfbewohnern über ihre Erfahrungen mit kleinen Wasserkraftwerken und Müllverbrennungsanlagen und befragt Reisbauern und Pflanzenzüchter, wie sie zur ökologischen Landwirtschaft stehen. Der Einsatz von örtlich verfügbarer Biomasse für die Produktion von Biogas zum Beispiel wäre ebenso im Sinne des Klimaschutzes wie die Vermeidung von Treibhausgas-erzeugenden Düngemitteln.
Mit Wissenschaftlern aus Asien – etwa aus Japan – hat Wongsa in früheren Forschungsprojekten schon zusammengearbeitet. Neu ist für sie die Kooperation mit Fachleuten von anderen Kontinenten – bei CliMiP aus Mexiko und Südafrika. Diese neuen Perspektiven und den komparativen Aspekt empfindet sie als bereichernd, nicht nur hinsichtlich der Methoden, die sie dadurch kennenlernt. „Ist der kulturelle, soziale und politische Kontext ein anderer, schlägt sich das auch in der Art und Weise der politischen Entscheidungsfindung nieder“, hat sie beobachtet.
Mit seinem globalen Ansatz und der vernetzten Forschungsarbeit steht das Projekt CliMiP exemplarisch für die Initiative „Europe and Global Challenges“. Hier stehen Forschungsfragen und gesellschaftliche Herausforderungen im Fokus, die grenzüberschreitendes Handeln erforderlich machen. Die europäischen Fachleute im Projektverbund werden vor allem erkunden, was Europa zur Lösung der Probleme in den beteiligten Ländern beitragen kann.
Drei Voraussetzungen
Drei Aspekte sind für das Gelingen des Klimaschutzes entscheidend und stehen darum auch im Fokus von CliMiP, erläutert Lay: „Erstens die globalen Verhandlungen über den Klimaschutz, zweitens die Klimapolitik auf nationaler Ebene und drittens die konkrete technisch-ökonomische Umsetzung“. Er setzt darauf, dass die Projektergebnisse Eingang in die globale Debatte über Klimaschutz, Entwicklung und Gerechtigkeit finden werden – und so die Gestaltung politischer Lösungen beeinflussen können.