Dieser Tage endete die Frist für Stellungnahmen zum Weißbuch für ein neues Strommarktdesign. Lob und Kritik fielen unterschiedlich aus.
So kritisierte beispielsweise der Verband der Kommunalen Unternehmen, dass das vorliegende Maßnahmenpaket besonders die Begrenzung der Kosten nicht berücksichtige. Der Strommarkt 2.0 mit der „Braunkohle“-Reserve sei eine teure Lösung für Versorgungssicherheit und Klimaschutz.
Zweifel hat der VKU auch, ob der Strommarkt 2.0 die Versorgungssicherheit langfristig gewährleisten kann und Investitionen in innovative und nachhaltige Technologien anreizt. So kritisierte VKU Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Reck: „Das BMWI stellt die marktliche Organisation des Strommarkts in den Vordergrund und sieht in einem Kapazitätsmechanismus zu große Eingriffe in den Markt. Doch die vom Bundeswirtschaftsministerium vorgeschlagenen Maßnahmen bedeuten ebenso große Eingriffe.“
So nehme das BMWI unter anderem, teilweise indirekt, Einfluss auf den wettbewerblich organisierten Großhandels- und Endkundenmarkt, indem es die Verantwortung für die Versorgungssicherheit über Bilanzkreisverantwortliche (Bilanzkreise sind Energiekonten, in denen Angebot und Nachfrage abgebildet werden), also Vertriebe und Händler, organisiere. „Mit den geplanten Verschärfungen sowie der Kapazitätsreserve distanziert sich das BMWI immer weiter von dem selbst propagierten liberalisierten Markt, was entsprechend negative Auswirkungen auf die Endkundenpreise nach sich ziehen wird.“
Reck abschließend: „Ziel des Prozesses zum Strommarktdesign sollte ein übergreifender Ansatz und keine Maßnahmenansammlung sein. Dieser Ansatz sollte es allen Technologien möglich machen, sich zu beteiligen. Versorgungssicherheit muss dabei für den Industriestandort Deutschland oberste Priorität haben. Und genau deshalb sprechen wir uns weiterhin für einen Kapazitätsmarkt aus.“
Stromunternehmen begrüßen Weißbuch
Anders sieht es beispielsweise der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne), der das Weißbuch des Bundeswirtschaftsministeriums „Ein Strommarkt für die Energiewende“ in seiner Stellungnahme als Richtungsentscheidung für einen wettbewerblich ausgerichteten Stromsektor begrüßt.
„Über die Stärkung der Marktkräfte erreichen wir wesentliche Ziele, nämlich eine sichere und effiziente Stromversorgung sowie die Integration der erneuerbaren Energien“, betont bne-Geschäftsführer Robert Busch. Flankiert werden muss dieser Prozess mit einer Reform des Netzentgeltsystems und einer Einbettung in einen europäischen Strommarkt.
Viele der von bne im Dialogprozess zum Grünbuch gemachten Vorschläge finden sich nun im Weißbuch wieder. Dies gilt für das Bekenntnis zur freien Preisbildung an Strommärkten sowie die Absage an allgemeine Kapazitätsmärkte. Mit dem Weißbuch wird dabei die Tür für eine Modernisierung des Energiesystems insgesamt geöffnet. „Der Strommarkt der Zukunft stellt Versorgungssicherheit durch das Zusammenspiel von Millionen von vernetzten flexiblen Erzeugern, Verbrauchern, Speichern und auch der Elektromobilität her. Der freie Wettbewerb im Strommarkt 2.0 sorgt für effiziente Lösungen und Innovationen und bietet so viel Raum für neue Geschäftsmodelle wie seit Jahren nicht“, sagt bne-Geschäftsführer Busch.
Kapazitätsreserve überprüfen
Die Einführung einer Kapazitätsreserve als Absicherung hält der bne für grundsätzlich sinnvoll. Busch: „Für die Reserve sollten flexible und schnell startendende Anlagen in Betracht kommen. Sie darf keine reine Lebensverlängerung für abgeschriebene, inflexible fossile Anlagen sein.“
Seit langem kritisiert der bne die wachsende Belastung des Strompreises durch Abgaben, Umlagen und Netzentgelte, die das Börsenstrompreissignal überlagert. „Es ist begrüßenswert, dass das BMWi nun die Wechselwirkung der Abgabenlast genauer in den Blick nehmen will“, betont Busch. Die aktuell vorgesehene Erhöhung der KWK-Umlage und die Kosten für die geplante Braunkohlereserve sind vor diesem Hintergrund allerdings wenig verständlich.
Netzentgelte reformieren, Regelenergiemärkte öffnen
Ein großes Hemmnis für ein flexibles Energiesystem ist das Netzentgeltsystem. „Vergünstigungen, die sich an überkommenen Tag-Nacht-Fenstern orientieren oder aber einen kontinuierlichen statt eines flexiblen Verbrauchs anreizen gehören abgeschafft. Sie bewirken das Gegenteil dessen was nun notwendig ist“, so Busch. Das BMWi hat dies bereits erkannt, sollte aber aus bne-Sicht noch ambitionierter vorgehen. „Die bisherigen Vergünstigungen müssen in ein neues, einheitliches System überführt werden, in dem die Industrie ihren versprochenen Flexibilitätsbeitrag erbringen kann.“
Zutreffend ist auch, dass die Integration von erneuerbaren Energien in die Regelleistungsmärkte weiter vorangetrieben werden muss. Es fehlt dafür allerdings weiter an klaren Rahmenbedingungen für deren Qualifikation. Der bne schlägt daher ein vereinfachtes, einheitliches Verfahren vor.
EU-Binnenmarkt voranbringen
Von großer Bedeutung ist zudem, die Integration in den europäischen Strommarkt voranzutreiben. „Im europäischen Rahmen lässt sich die Integration der Erneuerbaren und die Versorgungsicherheit günstiger herstellen. Wir müssen daher weiter an der Harmonisierung von Marktregeln arbeiten“, betont Busch.
Effizienzziel an Realität anpassen
Der bne folgt der im Weißbuch formulierten Annahme, dass es künftig über Wärmepumpen und E-Autos mehr Stromanwendungen im Verkehrs- und Wärmesektor geben wird. Eine Erhöhung des Gesamtstromverbrauchs ist zu erwarten. Vor diesem Hintergrund sollten das Ziel der Senkung des absoluten Stromverbrauches als auch die Annahmen für den Netzausbau überprüft werden.
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