Leichtbautechnologie im Automobilbau ist ein Thema, mit dem sich die IAA – die Internationale Automobil-Ausstellung – Ende September/Anfang Oktober in Frankfurt am Main stattfindet, beschäftigt. Dabei geht es nicht nur um Rennwagen oder PKWs, die leichter und damit effizienter werden müssen, sondern auch um den großen Bereich der Nutzfahrzeuge.
Landwirtschaft mit Potenzial
Ein Markt, der bislang eher von vielen Pferdestärken und immer schwereren Maschinen geprägt ist, ist die Landwirtschaft. Vor dem Hintergrund der wachsenden Weltbevölkerung und der zunehmenden Bedeutung nachwachsender Ressourcen für die Lebensmittel- und Energieversorgung stellt die Agrarwirtschaft einen der wichtigsten Wachstums- und Zukunftsmärkte dar. Die deutsche Landwirtschaft sieht sich dabei vor der Herausforderung, Ertragssteigerung und nachhaltige Bewirtschaftung miteinander in Einklang zu bringen.
Dabei nimmt der Einsatz von neuen Technologien einen immer größeren Stellenwert ein. Nutzfahrzeuge sind in der Landwirtschaft unverzichtbar und stellen auf Grund der verbauten Technologien einen immensen Kostenfaktor dar. Das hohe Gewicht der Fahrzeuge bedingt zudem einen hohen Treibstoffverbrauch. »In der Entwicklung neuer Leichtbaumaterialien in Verbindung mit emissionsneutralen Elektrotechnologien für Antriebe sehen wir ein großes, bisher weitestgehend ungenutztes Potenzial für die Hersteller landwirtschaftlicher Nutzfahrzeuge«, erklärt Marcus Knobloch, Netzwerkmanager von POLY-LAB.NET und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU.
Fahrzeugvorstellung
Das Fraunhofer IWU wird auf der Messe das innovative Leichtbaufahrzeug »KULAN« vorstellen. Mit dem nur etwa 300 kg schwere Elektromobil wird demonstriert, wie Lösungen für die Landwirtschaft der Zukunft aussehen können. Eingesetzt werden kann das Fahrzeug überall da, wo ohne Abgase und Geräusche gearbeitet werden muss, z. B. in der Landwirtschaft, im Messebau oder in der Park- und Grünanlagenpflege.
Der futuristisch anmutende Technologiedemonstrator wurde von der Initiative POLY-LAB.NET unter Koordination des Fraunhofer IWU im Zeitraum von 2012 bis 2014 und mit Unterstützung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie BMWi entwickelt. Fünfzehn Unternehmen und zwei Forschungseinrichtungen aus Sachsen bringen ihre Kompetenzen in das Netzwerk ein und demonstrieren, welche Gewichtseinsparungen mit innovativen Leichtbautechnologien und modernen Werkstoffen im Nutzfahrzeugbereich möglich sind.
Leichtes Fahrzeug
Der »KULAN« wiegt nur 300 kg und ist damit deutlich leichter als konventionelle Kleinwagen, kann aber Lasten von bis zu einer Tonne transportieren. Möglich machen das besonders belastbare Leichtbau-Werkstoffe: Die Ladefläche besteht aus einer Sandwichstruktur mit einem Aluminiumschaumkern und Decklagen aus glasfaserverstärktem Polyurethan. Der Werkstoff ist besonders leicht, biegesteif, belastbar und feuerfest. Der Sitz entstand gemeinsam mit der Firma Lakowa und besteht aus einem sehr leichten, durch Thermoformen tiefgezogenen, Sandwichmaterial aus Kunststoff-Schaum und ABS-Decklagen. Die Lagermulde als Aufsatz wurde aus recyclingfähigem Altpapier gemeinsam mit den Firmen Kunz Engineering und Fasergusswerk Polenz hergestellt. Das Unternehmen fertigt aus Altpapier mittels Faserguss sehr leichte und belastbare Bauteile. Der Vorteil: Die Mulde ist komplett verrottbar, denkbar wäre ein Einsatz als Behälter für Grünabfälle.
Cluster hat entwickelt
Neben der Karosserie wurde auch an einzelnen technischen Komponenten Gewichtseinsparungen umgesetzt. So sind im KULAN keine konventionellen Schweinwerfer und Blinker verbaut, die vergleichsweise schwer, teuer und technisch anfälliger sind, sondern leichte und zuverlässige Kunststoff-Blöcke, die mit Dioden verschiedener Farben versehen werden.  Einen weiteren Gewichtsvorteil brachte die Verwendung einer hydraulischen Lenkung. Diese wurde aus dem Bootsbau adaptiert und bewirkt durch den Wegfall des schweren Lenkgestänges eine Masseeinsparung von mehreren Kilogramm. Das geringe Gewicht erhöht zudem die Reichweite des Elektromotors. Für den KULAN wurde eigens ein patentiertes »intelligentes« Batterie-Management-System entwickelt, das die Versorgung des Elektromotors auf ein Optimum zwischen Leistung und Verbrauch reguliert. Der Akku reicht vollgeladen für bis zu sechs Stunden bzw. bis zu 300 km, je nach Traglast, Streckenprofil und Temperatur.
KULAN ist eine »Innovation querfeldein«
Dass der KULAN zu den insgesamt 100 Preisträgern zählt, die im Rahmen des bundesweiten Wettbewerb »Ausgezeichnete Orte im Land der Ideen 2014/15« kürzlich ausgezeichnet wurden, ist Anerkennung der Pionierarbeit, die Ingenieure, Techniker und Wissenschaftler aus Sachsen bis zur Fertigstellung des Fahrzeugs geleistet haben. Insgesamt nahmen rund 1.000 Forschungseinrichtungen, Unternehmen oder Vereine mit ihren zukunftsweisenden Projekten zum Thema »Innovationen querfeldein« am diesjährigen Wettbewerb teil. Unterstützt durch einen Fachbeirat wählte eine unabhängige 18-köpfige Jury die Preisträger in den Kategorien Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft, Umwelt, Bildung und Gesellschaft.
Gewürdigt wurde insbesondere der zukunftsträchtige Ansatz der Forschungs- und Entwicklungskooperation, denn mit dem Technologiedemonstrator greift die Initiative wichtige Trends in der Entwicklung ländlicher Räume auf: Immer mehr landwirtschaftliche Betriebe setzen auf dezentrale Energieversorgung mittels Photovoltaik, Solarthermie sowie Biogas und schaffen damit ihre eigenen »Tankstellen« für elektrisch betriebene Nutzfahrzeuge. Steigende Energiepreise verschärfen den Konkurrenzdruck. KULAN steht zudem für den Anspruch an eine biologisch verträgliche, emissionsfreie Tier- und Pflanzenhaltung. Das geringe Gewicht des Fahrzeugs begünstigt eine schonende Bodenbearbeitung. »Wir wollen die vielen Innovationen, die im Fahrzeug verbaut sind, jetzt so schnell wie möglich in die Praxis bringen. Dazu suchen wir in erster Linie noch Partner aus dem Nutzfahrzeugbereich«, ergänzt Knobloch.