Der Nationale Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) ist in der heutigen Kabinettssitzung von der Bundesregierung verabschiedet worden.
Für die Regierung stellt der Aktionsplan ein ambitioniertes Projekt dar: erstmalig werden die Verantwortlichkeiten deutscher Unternehmen zur Wahrung der Menschenrechte in einem festen Rahmen verankert, indem global einheitliche und überprüfbare Standards festgelegt werden, heisst es in eine Verlautbarung. Der Nationale Aktionsplan hat das Ziel, die menschenrechtliche Lage entlang der Liefer- und Wertschöpfungskette in Deutschland und weltweit zu verbessern. Er soll die Stärken der verschiedenen Akteure aus Staat, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Gewerkschaften bündeln. Die Bundesregierung formuliert im Aktionsplan ihre klare Erwartung: Unternehmen müssen die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht einhalten.

UN Prinzipien liegen zugrunde

Bei der Definition dieser Sorgfaltspflicht orientiert sich die Bundesregierung eng an den Leitprinzipien der UN zu den Themen Wirtschaft und Menschenrecht, die in einem sechsjährigen Forschungs- und Konsultationsprozess unter Leitung des UN-Sonderbeauftragten Prof. John Ruggie erarbeitet worden sind. Die Leitprinzipien zeigen menschenrechtliche Pflichten von Staaten und die Verantwortung von Unternehmen in globalen Wertschöpfungs- und Lieferketten auf. 2011 wurden sie vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen einstimmig angenommen.

Markus Löning

Markus Löning, ehemaliger Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung meint, dass die Bundesregierung beim Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte zu kurz gesprungen ist.


„Der heute vom Kabinett verabschiedete Nationale Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte zeigt den Unternehmen deutlich, dass die Politik in Zukunft von ihnen eine bessere Achtung der Menschenrechte in ihrer Lieferkette erwartet“, kommentiert Markus Löning, der ehemalige Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung.
„Allerdings nimmt die Bundesregierung nicht ausreichend zur Kenntnis unter welchem erheblichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichem Druck Firmen stehen, Menschenrechte in ihrer Lieferkette zu achten. Verbraucher, Geschäftskunden aber auch Finanzierer erwarten transparente Lieferketten und die Durchsetzung und ein professionelles Risiko-Management der Arbeits- und Sozialstandards und Menschenrechtsfragen bei Zulieferern.
Ob die angekündigten Unterstützungsmaßnahmen vor allem für den Mittelstand ausreichend sind, wird sich in der Praxis zeigen müssen. Immer wieder hat die Bundeskanzlerin zurecht darauf verwiesen, wie wichtig es für international tätige deutsche Firmen ist, dass die Globalisierung allen zugute kommt. Hier spingt die Bundesregierung zu kurz. Sie muss eigene Erkentnisse über relevante Menschenrechtsfragen in Partnerländern offen mit Unternehmen teilen, damit diese bei Investitionen und Handel informierte Entscheidungen treffen können.“
Auch das Angebot durch mehr Information den Zugang zu Recht für Betroffenen von Rechtsverletzungen zu verbessern kann nur ein erster Schritt sein. Hier ist es dringend erforderlich, dass die Bundesregierung in einen Dialogprozess mit Unternehmen und NGOs eintritt, um das Menschenrecht auf rechtliches Gehör auch grenzübergreifend umzusetzen. Es kann nicht der Rechtsprechung überlassen werden zu klären, wie weit Verantwortung und Haftung von Unternehmen in der Lieferkette reichen.
Hier ist ein iterativer – auch internationaler – politischer Prozess nötig um Klarheit und Rechtssicherheit zu schaffen. Unternehmen und Verbände wären gut beraten, das Thema Verantwortung von Unternehmen für die Achtung der Menschenrechte in der öffentlichen, politischen Debatte aktiver als bisher voranzutreiben.

Kommentar der Verbände

Der Nationale Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte hat lange auf sich warten lassen. Unternehmen sollten ihn als einen Richtungsindikator sehen und ihren menschenrechtlichen Verpflichtungen in Zukunft gewissenhafter nachkommen.“

„Der Aktionsplan äußert zwar die Erwartung, dass Unternehmen die Menschenrechte bei ihren Auslandsgeschäften achten. Wenn Unternehmen dies ignorieren, müssen sie aber weder Bußgelder, noch Zivilklagen oder andere Konsequenzen fürchten“, bemängelt Bernd Bornhorst, Vorstandsvorsitzender von VENRO. „Es ist nicht nachvollziehbar, dass Auslandsinvestoren ihre Rechte international einklagen können, während Opfern von Menschenrechtsverletzungen diese Möglichkeit verweigert wird.“
„Immerhin setzt sich die Bundesregierung eine Zielmarke: Bis 2020 sollen die Hälfte aller Großunternehmen menschenrechtliche Sorgfaltspflichten umsetzen“, erklärt Julia Duchrow, Mitglied im Koordinierungskreis des Forums Menschenrechte, und begrüßt, dass das Bundesfinanzministerium seine völlige Blockadehaltung aufgeben musste. Für den Fall, dass dieses Ziel verfehlt wird, erwägt die Bundesregierung eine gesetzliche Regelung. „Die Bundesregierung sollte ein solches Gesetz nicht nur erwägen, sondern unmissverständlich ankündigen, falls die Unternehmen nicht liefern“, so Duchrow. Wichtig sei zudem eine unabhängige und transparente Überprüfung auf Grundlage robuster Kriterien.
„Der Nationale Aktionsplan ist voll von hehren Absichtserklärungen, die wir grundsätzlich begrüßen. Doch was sind sie wert, wenn gleichzeitig EU-Richtlinien wie diejenige zur öffentlichen Beschaffung in deutsches Recht umgesetzt wurden, ohne die Menschenrechte zur verbindlichen Richtschnur zu machen?“, kritisiert Heike Drillisch, Koordinatorin des CorA-Netzwerks für Unternehmensverantwortung. „Mit dem Aktionsplan bleibt die Bundesregierung noch hinter Maßnahmen anderer Länder wie Frankreich, Großbritannien und den USA zurück.“

Verbände nicht in die Redaktion eingebunden

2011 haben die Vereinten Nationen Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte verabschiedet. 2014 startete die Bundesregierung den Prozess zur Erarbeitung eines nationalen Aktionsplans zur Umsetzung der Leitprinzipien umzusetzen. VENRO und das Forum Menschenrechte wurden zu Beginn als Mitglieder des vom Auswärtigen Amt eingerichteten Steuerungskreises sowie als Organisatoren zahlreicher Expertenanhörungen eingebunden. Entgegen vorheriger Zusicherung wurden sie später jedoch nicht in die Redaktion des Aktionsplans eingebunden. „Seit einem Jahr erhalten wir keine offiziellen Informationen mehr darüber, wo dieser Prozess steht. Nun ist uns der Aktionsplan vor Verabschiedung nicht einmal zur Kommentierung zugeschickt worden. Partizipation sieht anders aus“, kritisiert Julia Duchrow, die das Forum Menschenrechte im Steuerungskreis vertreten hat.
Mehr als 30.000 Menschen haben die Forderung von VENRO, Forum Menschenrechte und dem CorA-Netzwerk nach verbindlichen menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten mit einer Petition unterstützt, die die Verbände vor der entscheidenden Kabinettsitzung dem Bundeskanzleramt übergaben.