Die Biologische Vielfalt geht verloren. Der UN-Welttag für biologische Vielfalt will am 22. Mai darauf aufmerksam machen. Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass die Ursachen dafür vor allem in fehlendem oder unsicherem Wissen über die komplexen Verbindungen zwischen Natur und Gesellschaft liegen. Wissenschaftler empfehlen deshalb, die Biodiversitätsforschung stärker als bisher transdisziplinär auszurichten. Der aktuelle Policy Brief des ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung greift dieses Thema auf.
Es gibt inzwischen eine Vielzahl nationaler und internationaler Initiativen und Programme, die sich dem Schutz der Artenvielfalt widmen. Etwa die Ratifizierung nationaler Biodiversitätsstrategien, die Ausarbeitung von Aktionsplänen im Rahmen der Vertragsstaatenkonferenzen des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) oder die Einrichtung von Schutzgebieten. Der Verlust der Artenvielfalt schreitet dennoch voran. Um ihn zu stoppen, müsste der bisherige Aufwand verdoppelt werden. Dabei ist es wichtig, eine breitere Wissensbasis zu schaffen, denn es fehlt vor allem an Handlungswissen. Der aktuelle ISOE Policy Brief “The need for transdisciplinary social-ecological biodiversity research. More a lack of knowledge rather than a lack of action” macht deutlich, warum ein transdisziplinärer Forschungsansatz entscheidend ist, wenn es darum geht, wissenschaftliche Erkenntnisse und praktische Erfahrungen zu integrieren und damit neues Wissen zum Schutz der Biodiversität zu generieren.
Mit dem transdisziplinären Forschungsmodus ist es möglich, Nutzungsdynamiken von Biodiversität in den Blick zu nehmen, wie beispielsweise Konflikte, die entstehen, wenn verschiedene Interessengruppen unterschiedliche Nutzungsansprüche an Ökosystemleistungen haben. Hierfür müssen neue Bündnisse zwischen den Disziplinen, vor allem zwischen Natur- und Sozialwissenschaften geschaffen und wissenschaftliches muss mit mit nicht-wissenschaftlichem Wissen verbunden werden. Die Einbeziehung von lokalem Wissen über Biodiversität sowie die Integration von gesellschaftlichen Partnern in den Forschungsprozess ist dabei unerlässlich.
Transdisziplinäre Biodiversitätsforschung: Empfehlungen für Forschungsgemeinschaft und Forschungspolitik
Innerhalb der Forschungsgemeinschaft, aber auch in der Forschungspolitik müssen daher Maßnahmen ergriffen werden, um die transdisziplinäre sozial-ökologische Biodiversitätsforschung zu stärken und zu etablieren. Dies betrifft zum einen die Forschungsgemeinschaft: Bisher wird die wissenschaftliche Leistung unter anderem über die Anzahl der wissenschaftlichen Publikationen bewertet. Dieses Anreizsystem muss für WissenschaftlerInnen, die transdisziplinär arbeiten, überdacht und angepasst werden. Denn transdisziplinäre Forschung erfordert einen höheren Aufwand für Kooperationen und gemeinschaftliches Arbeiten wie CO-Design, Co-Production und Co-Dissemination.
NachwuchswissenschaftlerInnen müssen zudem als transdisziplinäre ExpertInnen ausgebildet werden können. Hierfür müssen entsprechende Karrierepfade sowie Bildungsangebote zur Verfügung gestellt werden. WissenschaftlerInnen müssen die Bewusstseinsbildung für die Bedeutung transdisziplinärer Forschung stärker vorantreiben, indem das Selbstverständnis der Biodiversitätsforschenden gestärkt wird.
Was die Forschungspolitik betrifft, so wird empfohlen, die Prioritäten der Forschungsförderung stärker mit nationalen und internationalen Biodiversitätszielen, wie sie im Strategischen Plan für Biologische Vielfalt, im Übereinkommen für Biologische Vielfalt (CBD) oder in der EU-Biodiversitätsstrategie verankert sind, in Einklang gebracht werden. Zudem muss die transdisziplinäre sozial-ökologische Biodiversitätsforschung finanziell deutlich gestärkt werden. Im Interesse des internationalen Biodiversitätsschutzes sollte sektorübergreifend argumentiert und gehandelt werden.
Mehring, Marion/Diana Hummel (2017): The need for transdisciplinary social-ecological biodiversity research – More a lack of knowledge rather than a lack of action. ISOE Policy Brief, 5. Frankfurt am Main: ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung
Über die ISOE Policy Briefs: Hintergrundinformationen für Entscheider, Medien und interessierte Bürger
Die ISOE Policy Briefs wenden sich nicht nur an politische Entscheider, sondern auch an Vertreterinnen und Vertreter aus der Wissenschaft sowie an Medien und interessierte Bürger. Die in loser Folge veröffentlichten, knapp fünfseitigen Dossiers bieten Hintergrundinformationen zu exemplarischen konfliktbehafteten Problemen einer nachhaltigen Entwicklung. Sie werden je nach internationaler oder nationaler Projektausrichtung in englischer oder deutscher Sprache verfasst. Die Publikationen stehen als PDF-Download zur Verfügung.