Wie kann es in Trockengebieten passieren, dass Ökosysteme unter wachsendem Nutzungsdruck plötzlich „umkippen“? Wo vorher Weidegras üppig wuchs, bleibt dann nur der blanke Boden zurück – mit drastischen Folgen für die Ernährungssicherung. Ein internationales Team aus Wissenschaftlern unter Federführung der Universität Bonn erforscht in Namibia die ökologischen und sozialen Einflussfaktoren auf solche Kipppunkte der Wüstenbildung.
Nun startet das Projekt, das in den nächsten drei Jahren vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit mehr als drei Millionen Euro gefördert wird.

NamTip – so lautet der Name des nun bewilligten, deutsch-namibischen Forschungsprojektes zu ökologischen Kipppunkten in Namibias Weideländern. Seit einigen Jahren rücken Kipppunkte (oder „Tipping Points“) in Ökosystemen immer mehr in den Fokus von Wissenschaftlern und Umweltmanagern. Veränderte Umweltbedingungen können in Kombination mit wachsendem Nutzungsdruck dazu führen, dass Ökosysteme plötzlich kollabieren oder „umkippen“.
Aufgrund der engen Verzahnung von Natur und Gesellschaft sind diese Tipping Points noch nicht gut verstanden – oft kommen sie als unangenehme Überraschungen. „Sie können jedoch schwerwiegende ökologische und sozio-ökonomische Auswirkungen haben, die schlimmstenfalls unumkehrbar sind“, sagt Projektleiterin Dr. Anja Linstädter vom Institut für Nutzpflanzenwissenschaften und Ressourcenschutz der Universität Bonn.
Eine große Rolle spielen Kipppunkte auch in Trockengebieten. Wenn Weiden stark übernutzt werden, können sie – zum Beispiel infolge einer Dürre – rasch „umkippen“. Ausdauernde Futtergräser gehen dauerhaft verloren, und zurück bleibt karger, nackter Boden. Diese Wüstenbildung oder Desertifikation ist auch in Namibia ein drängendes Problem. „Der Klimawandel wird die Wahrscheinlichkeit für das Überschreiten von Wüstenbildungs-Kipppunkten noch drastisch erhöhen“, sagt Linstädter. „Hier kann fächerübergreifende, anwendungsbezogene Forschung einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Weidegebiete nachhaltig zu nutzen.“
Frühwarnsysteme sollen Wüstenbildung vermeiden helfen
Im NamTip-Projekt wollen daher Wissenschaftler und Interessenvertreter gemeinsam daran arbeiten, Wüstenbildungs-Kipppunkte und ihre Auswirkungen auf die Lebensgrundlage der namibischen Farmer besser zu verstehen. Gleichzeitig wollen sie Möglichkeiten ausloten, solch ungewollte Effekte zu vermeiden – beispielsweise durch geeignete Frühwarnsysteme.
Das NamTip-Projekt bringt Experten aus vielen Bereichen zusammen. Neben deutschen und namibischen Forschern aus den Natur- und Sozialwissenschaften sind es Weidemanager, Politikexperten, Pädagogen und Kommunikatoren. Beteiligt sind Wissenschaftler der University of Namibia und der Namibian University of Science and Technology. Von deutscher Seite sind neben Graslandökologen und Bodenwissenschaftlern der Universität Bonn auch Ethnologen der Universität zu Köln, Vegetationsökologen der Universität Tübingen sowie Sozialwissenschaftler vom Institut für sozial-ökologische Forschung in Frankfurt und Systemwissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung aus Leipzig dabei.