Die FDP hat auf ihrem Bundesparteitag in Berlin einen Leitantrag für eine „Wirtschaftswende“ verabschiedet.
Darin werden u.a. Steuersenkungen, eine Reform der Bürgersozialhilfe und die Abschaffung der Frühverrentung mit 63 gefordert. FDP-Chef Lindner betonte die Notwendigkeit einer Wende in der Wirtschaftspolitik und sagte der Ukraine volle Unterstützung zu. Die Partei knüpft den Fortbestand der Koalition an die Kompromissbereitschaft der Partner bei den Wirtschaftsreformen. Lindner kritisierte das Kindergrundeinkommen und den Solidaritätszuschlag, während sein Stellvertreter Kubicki vor allem die Grünen kritisierte. Die Teilnehmer der Bundestagung befassten sich auch mit anderen politischen Themen wie der Rente, der Energiepolitik und dem Antisemitismus an den Hochschulen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat sich für ein „kurzfristiges“ und „kraftvolles“ Steuerentlastungsprogramm für die Wirtschaft ausgesprochen. Um dies zu finanzieren, warb der Grünen-Politiker am Montagabend bei einer Leserveranstaltung der „HNA“ in Kassel für eine Reform der Schuldenbremse. Mehr Flexibilität würde eine stärkere Förderung der Bauwirtschaft und mehr Investitionen der Unternehmen ermöglichen. Allerdings räumte Habeck ein, dass es derzeit keine politische Mehrheit für eine Reform der Schuldenbremse gebe.
Habecks Äußerungen kamen kurz nach dem FDP-Parteitag. Die FDP hatte ein Papier für eine „konjunkturelle Wende“ angesichts der Wirtschaftsschwäche in Deutschland verabschiedet. Darin fordert die FDP unter anderem die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags und eine Straffung der Sozialleistungen.
Habeck ging nicht auf das FDP-Papier ein. Stattdessen erklärte er mit Blick auf die Verhandlungen innerhalb der Bundesregierung über den Bundeshaushalt 2025, dass die Mittel begrenzt seien. Er betonte aber die Notwendigkeit von konjunkturellen Impulsen. Jetzt sei der richtige Zeitpunkt, um in Deutschland zu investieren, denn ein kurzfristiges, aber kräftiges Steuerentlastungsprogramm könne die notwendigen Impulse für das Wirtschaftswachstum geben.
Allerdings räumte er ein, dass dies zu geringeren Steuereinnahmen und einem unausgeglichenen Haushalt führen würde, weshalb ein solches Programm derzeit nicht machbar sei. Habeck betonte die Notwendigkeit von Investitionen und Innovationen für das Land, wies aber darauf hin, dass die Möglichkeiten aufgrund des Erfordernisses eines ausgeglichenen Haushalts bis Ende des Jahres begrenzt seien. Bezüglich einer Reform der Schuldenbremse zeigte sich Habeck zuversichtlich, dass diese Diskussion kurz vor der Bundestagswahl wieder aufgegriffen wird.
SPD und Grüne signalisieren Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der FDP.
Trotz scharfer Kritik an den FDP-Parteitagsbeschlüssen vom Wochenende zeigen sich die Ampel-Koalitionspartner bereit, auf die Liberalen zuzugehen. Ziel ist es, eine gemeinsame Linie in der Wirtschaftspolitik zu finden. Dennoch bleiben die unterschiedlichen Prioritäten offensichtlich.
Die Verhandlungen zur Aufstellung des Bundeshaushalts 2025 laufen – und damit eine kontroverse Debatte innerhalb der Ampelkoalition darüber, wie die marode Wirtschaft aus der Flaute geholt werden kann. Die FDP hatte auf ihrem mit Spannung erwarteten Parteitag am Wochenende offensiv eine „wirtschaftliche Trendwende“ gefordert. Verschiedene Beschlüsse zu Lasten des Sozialstaates waren jedoch bereits auf scharfe Kritik gestoßen, vor allem beim Koalitionspartner SPD.
Die SPD zeigt sich nun aber gesprächsbereit, um eine gemeinsame Linie innerhalb der Ampel-Regierung zu finden. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Achim Post sagte unserer Redaktion: „Nach dem FDP-Parteitag bin ich zuversichtlich, dass wir jetzt in der Koalition konstruktiv vorankommen – auch in der Debatte um weitere Wachstumsimpulse.“ Letztlich komme es auf einen vernünftigen Mix von Maßnahmen an, der verschiedene Impulse zusammenbringt. „Natürlich brauchen wir starke öffentliche Investitionen, das ist auch eine wichtige Messlatte für den nächsten Bundeshaushalt“, so Post. „Gleichzeitig müssen wir viel stärker als bisher Anreize für private Investitionen in Wachstum und Transformation schaffen. Dazu gehören auch Verfahrensvereinfachungen und Bürokratieabbau mit einem ambitionierten Bürokratieentlastungsgesetz IV und gezielten Entlastungsmaßnahmen. Ich sehe Chancen, gemeinsam gute Lösungen für unser Land zu finden“, sagte er. Zugleich zieht er rote Linien, wenn es um den Abbau des Sozialstaates geht. „Wachstumsimpulse und Bürokratieabbau dürfen nicht auf Kosten von guten Löhnen, starken Arbeitnehmerrechten und sozialem Zusammenhalt gehen“, sagte Post.
Auch die Grünen haben sich in den Haushaltsverhandlungen zu weiteren Investitionen bekannt, während die FDP betonte, dass der Staat bereits auf Rekordniveau investiere. Grünen-Chefin Ricarda Lang sagte am Montag in Berlin jedoch, es sei relativ klar, „dass wir mehr Investitionen in Deutschland brauchen“. Lang sprach von strukturellen Problemen, die sich über die Jahre angesammelt hätten und nun angegangen werden müssten. „Das ist der Fachkräftemangel, das ist der Bürokratieabbau, wo es viele konkrete Punkte gibt, von digitalen Arbeitsverträgen bis hin zu vielem, was wir an Planungsbeschleunigung schon auf den Weg gebracht haben, und natürlich drittens die Investitionstätigkeit.“ In der Koalition werde man auch darüber reden müssen, „wie wir mehr Investitionen anregen können, also attraktiv für private Investitionen sind und gleichzeitig als Staat unserer Investitionsverantwortung nachkommen, in der Infrastruktur und in der Industrie“, so der Grünen-Chef.
Auch die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Sandra Detzer, betonte, dass sich die Grünen bei den laufenden Haushaltsverhandlungen „insbesondere für Investitionen in Infrastruktur und Zukunftstechnologien sowie den sozialen Zusammenhalt“ einsetzen. Detzer distanzierte sich von den wirtschaftspolitischen Vorschlägen der FDP. „Das 12-Punkte-Papier ist zu 100 Prozent FDP, es ist ein Parteitagsbeschluss und natürlich Teil des Europawahlkampfes. Für den demokratischen Wettbewerb ist es wichtig, dass sich die Parteien unterscheiden“, sagte die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen.
Die Wirtschaft befindet sich in einer schwierigen Situation, die durch hohe Energiepreise, Versorgungsengpässe und überbordende Bürokratie gekennzeichnet ist. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger kritisiert, dass die Bundesregierung diesen Herausforderungen nicht ausreichend begegnet und fordert ein sofortiges Handeln. Er beklagt die zunehmenden gesetzlichen Anforderungen und die mangelnde Anerkennung der Wirtschaftsvertreter durch die Politik. Andere Unternehmer wie Kai Beckmann von Merck äußern sich ähnlich besorgt über die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und betonen, dass erfolgreiche Unternehmen trotz der aktuellen Rahmenbedingungen erfolgreich sind, nicht wegen ihnen. Klaus-Peter Stiller, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Chemie, warnt vor strukturellen Problemen in der Wirtschaft und betont, dass es sich nicht nur um einen vorübergehenden Wirtschaftsabschwung handelt. Wirtschaftsminister Robert Habeck räumt Fehler in der bisherigen Wirtschaftspolitik ein und verspricht Maßnahmen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, insbesondere bei der Energieversorgung, der Rohstoffversorgung und dem Bürokratieabbau.
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