Die Kritik am Textilbündnis, das Gerd Müller, der Bundesminister für wirtschaftliche Entwicklung, vor einigen Monaten ins Leben gerufen hatte, war groß. Von vielen Verbänden, aber auch den eigenen Reihen hieß es hinter vorgehaltener Hand: Zu wenig Substanz, weil viel zu wenig Unternehmen mitmachen.
Nun teilt das Ministerium mit, dass man die Voraussetzungen für den breiten Beitritt der Wirtschaft zum Textilbündnis geschaffen habe. Der Steuerungskreis des Textilbündnisses, das BMZ und die Textilwirtschaft haben die Voraussetzungen für einen breiten Beitritt von Unternehmen und Verbänden geschaffen. Grundlage für eine breite Zustimmung zum Textilbündnis ist die Einigung auf einen gemeinsamen Aktionsplan. Dafür haben die Partner den Aktionsplan in einigen wesentlichen Punkten präzisiert. Dies betrifft besonders die Art und Weise, wie Bündnismitglieder verbindliche Ziele verfolgen und erreichen müssen und wie die Fortschritte dabei transparent überprüft werden.
Bundesminister Dr. Gerd Müller: „Das Textilbündnis ist mit dem heutigen Tag einen entscheidenden Schritt vorangekommen. Zwei Jahre nach dem Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch setzen wir in Deutschland ein wichtiges Zeichen für eine faire Textilproduktion. Wir tragen Verantwortung- und zwar alle gemeinsam! Schon jetzt interessieren sich viele unserer Partner in Europa und international für unser Textilbündnis, das zu einem echten Markenzeichen auf dem Weg zu sozialen und ökologischen Standards in der Textilindustrie werden kann.“Das Textilbündnis wurde auf Initiative von Entwicklungsminister Müller am 16. Oktober 2014 von Vertreterinnen und Vertretern aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Gewerkschaften und Regierung gegründet. Das Textilbündnis hat das Ziel, die Lebens- und Umweltbedingungen der <Arbeiterinnen und Arbeiter in den Produktionsländern zu verbessern. Derzeit sind etwa 70 Organisationen Mitglied im Textilbündnis.
Wirtschaft fordert internationale Ausrichtung
„Voraussetzung für einen breiten Beitritt der Wirtschaft ist ein gemeinsamer Bündnisgeist“, betonte Josef Sanktjohanser, Präsident des Handelsverbandes Deutschland (HDE). „Nur im Schulterschluss aller Akteure kann das Bündnis in den Produktionsländern etwas bewegen.“ So könne die Wirtschaft keine hoheitlichen Aufgaben des Staates oder der Tarifpartner übernehmen. Eine konsequent internationale Ausrichtung des Textilbündnisses sei notwendig, um Nachteile für deutsche Betriebe im internationalen Wettbewerb zu verhindern.
„Die deutsche Textilwirtschaft schlägt einen verbindlichen Arbeitsprozess vor, bei dem die Bündnisteilnehmer gemeinsam definierte Ziele zur Verbesserung der Produktionsbedingungen in Drittländern verfolgen“, so Ingeborg Neumann, Präsidentin des Gesamtverbandes der deutschen Textil- und Modeindustrie (t+m). Die Ergebnisse sollen durch eine unabhängige Stelle geprüft und in einem regelmäßigen Fortschrittsbericht dokumentiert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. „Wenn Behörden in Produktionsstaaten ihrer Kontrollfunktion nicht nachkommen, dann können jedoch deutsche Unternehmen dafür nicht haftbar gemacht werden“, so die Präsidentin. Die Ziele des Bündnisses sollen regelmäßig überprüft und angepasst werden.
Die Verbände der Textilwirtschaft, dazu gehören die Außenhandelsvereinigung des deutschen Einzelhandels, GermanFashion, der Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie und der Handelsverband Deutschland mit dem Bundesverband des Deutschen Textileinzelhandels, haben dem Textilbündnis signalisiert, ihren Mitgliedsunternehmen auf dieser Basis eine Mitgliedschaft zu empfehlen.
Misereor mahnt
Auch zwei Jahre nach dem Einsturz von Rana Plaza mit über 1100 Toten und fast drei Jahre nach dem verheerenden Brand in der Ali Enterprises Fabrik in Pakistan mit 260 Toten haben auch deutsche Unternehmen noch nicht genug getan, um die Opfer zu entschädigen und die Arbeitsbedingungen in der Textilbranche nachhaltig zu verbessern. Immer noch fehlen in dem von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) verwalteten Entschädigungsfonds acht von 30 Millionen Euro. Statt der geforderten fünf Millionen hat KiK bislang nur eine Million eingezahlt. Die deutschen Unternehmen Adler Modemärkte, KANZ/Kids Fashion Group, NKD und die Schmidt Group haben bislang noch keine Zahlungen geleistet. „Viele Opfer-Familien müssen so zusätzlich zu dem seelischen Leid materielle Nöte erleiden, weil sie keinen Ausgleich für die entgangenen Einkommen erhalten“, so Pirmin Spiegel, Hauptgeschäftsführer von Misereor.
Er kritisiert zudem, dass die großen Unternehmen und Verbände der Textilbranche bislang immer noch zögern, dem von der Bundesregierung angestoßenen Textilbündnis beizutreten, dem auch Misereor angehört. Deshalb rief Spiegel gestern die Unternehmen auf, den neuen Vorschlag des Textilbündnisses jetzt anzunehmen und dem Aktionsplan zuzustimmen. „Eine konstruktive Mitarbeit der Wirtschaft ist dringend erforderlich, damit auch strukturelle Probleme wie kurzfristige Handelsbeziehungen und Lieferfristen, der Preisdruck auf Löhne und Arbeitsbedingungen und die hohe Belastung von Klima und Umwelt gelöst werden können“, so Spiegel.
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