Inzwischen kennt man sich auch in Deutschland gut mit steigenden Pegeln, Sturmfluten und Wassermassen aus, und dies nicht erst seit den Starkregenfällen Ende Mai/Anfang Juni in Bayern.
Um zu verhindern, dass Straßen und Häuser überschwemmt werden und Menschenleben in Gefahr geraten, sind moderne Sicherungsanlagen nötig. Wie diese aussehen sollten, haben Prof. Dr. Jürgen Jensen und Prof. Dr. Richard Herrmann in ihrem Werk „Sicherung von Dämmen, Deichen und Stauanlagen“ dargestellt. Das Buch ist als 5. Band erschienen und hat sich längst als Standardwerk etabliert, das aktuellste Forschungsergebnisse aufbereitet.
„Die Sicherheit von Siedlungs- und Lebensräumen zu gewährleisten, ist eine Dienstleistung an der Gesellschaft. Der Schutz vor Hochwasserkatastrophen spielt hier eine große Rolle. Seit Jahren wird an der Uni Siegen an diesem Thema gearbeitet, das Buch bündelt dieses Wissen und verknüpft es mit aktuellen Entwicklungen und Ereignissen“, erklärt. Prof. Jensen, Leiter des Forschungsinstituts Wasser und Umwelt an der Universität Siegen.
Der interdisziplinäre Hochwasserschutz stellt in Siegen ein Alleinstellungsmerkmal dar, Forscherinnen und Forscher aus den Lehrgebieten des Wasserbaus und der Geotechnik arbeiten erfolgreich vernetzt zusammen. Diese Vernetzung spiegelt sich im Buch wider. „Wir bilden das gesamte Spektrum ab: Vom auslösenden Ereignis wie einer Sturmflut, einem Hurrikan oder einem Tsunami über die Bemessung eines Bauwerks und der Risikoanalyse bis hin zur Organisation eines Evakuierungsplans“, verdeutlicht Jensen.
Wie sollen nun Dämme, Deiche und Stauanlagen aussehen, um Menschen optimal zu schützen? Die neueste Forschung hat ergeben, dass überlastbare Konstruktionen gefragt sind. „Wir müssen Deiche bauen, die längerfristig überströmt werden können, ohne geschädigt zu werden“, sagt Prof. Jensen. Ein Bauwerk soll also nicht bei einer Überschwemmung zusammenbrechen, sondern diese aushalten, um die verbliebene Wassermenge weiterhin zu kontrollieren.
Meeresspiegelanstieg berücksichtigen
Berücksichtigt werden müssen außerdem Faktoren wie der ansteigende Meeresspiegel, der als sogenannter „Klimazuschlag“ berücksichtigt wird. „Ideal ist deshalb, dass die Dämme anpassbar sind. Ein Bauwerk, das nach Bedarf erweitert werden kann, ist zukunftssicher. Die Lebensdauer eines Deiches darf nicht wie bei einer Straße auf 30 oder 40 Jahren bemessen sein“, sagt Prof. Jensen. Das Buch sammelt Anforderungen wie diese, um politischen Entscheidungsträgern eine Hilfestellung zu geben, wenn es um die strategische Planung des Deichbaus geht.
Weitere Entwicklungen gibt es auf dem Gebiet der genutzten Baustoffe. „Es gibt Geo-Kunststoffe, die den Boden bewähren, einen Bruch verhindern und den Deich stabiler, leistungsfähiger und sicherer machen. Auch Geo-Textilien sind mit ihren Eigenschaften als Filter und Schutz inzwischen wichtige Bestandteile. Ein Deich ist heute ein hochwertiger Ingenieurbau“, sagt Prof. Herrmann, Leiter des Instituts für Geotechnik an der Uni Siegen.
Das Buch setzt auf dem renommierten gleichnamigen Symposium auf, das eine Plattform für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bietet, um sich auszutauschen und neue Ideen sowie vielfältige Sichtweisen zu erhalten – und in der Buchform wiedergegeben. „Die Symbiose von Praxis, Theorie und viel Erfahrung hat in Siegen einen historischen Hintergrund, das ist unsere Tradition, unsere Marke. Seither haben wir exzellente Kontakte zur Berufspraxis“, erklärt Prof. Herrmann. Das zeigte sich auch im Hochschulranking des CHE, in dem die Bauingenieure den Spitzenplatz in der Kategorie „Berufspraxis“ belegen.
In der neuen Ausgabe verfolgen die beiden Professoren das Ziel, weitere Länder zu beteiligen. Hintergrund: Die Standards im Damm- und Deichbau haben sich wesentlich erhöht, das Risiko eines Hochwassers hat sich in der Folge auch geografisch nach Osteuropa verschoben. Durch die breitere Aufstellung soll das Wissen vermehrt geteilt werden. Die Haupt-Vorträge hielten Carlo Sörensen (Dänemark) und Heinz Brandl (Österreich).
„Die aktuellen Ereignisse in Baden-Württemberg und Bayern zeigen, dass zukünftig auch kleine Wasser-Einzugsgebiete zu betrachten sind und dass dort negative bauliche Veränderungen aus der Vergangenheit korrigiert und zukünftig zu vermeiden sind, um Schäden an Menschen und Gütern, d.h. zumindest große Schäden zu vermeiden. Dies wird auch Thema unseres nächsten Symposiums sein“, so Prof. Herrmann.
https://idw-online.de/de/news654117