Carbonfasern werden aus polymeren faserförmigen Vorläufermaterialien hergestellt, den Präkursoren. Gegenwärtig basieren 95 Prozent der Carbonfasern auf dem Weltmarkt aus erdölbasiertem Polyacrylnitril (PAN) als Präkursor. Am Potsdamer Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP werden Präkursoren aus nachwachsenden Rohstoffen entwickelt. Ein neuartiger Ofen, der Temperaturen von bis zu 2900 °C erzeugt, ermöglicht es nun, biobasierte Carbonfasern herzustellen, deren Eigenschaften teilweise die von herkömmlichen PAN-basierten Carbonfasern erreichen.
Carbonfasern, auch Kohlenstofffasern oder C-Fasern genannt, sind das festeste und steifste Material, das derzeit in großtechnischen Anlagen erzeugt werden kann. Dies sowie ihr geringes Gewicht machen sie heute vor allem im Leichtbau zur Verstärkung von Kunststoffen unersetzlich. Hier vollbringen sie in stark beanspruchten Bauteilen beispielsweise in Flugzeugen, Autos, Sportgeräten oder Windkraftanlagen, wahre Höchstleistungen. Windkraftanlagen werden in Zukunft zudem immer größer werden, um dem Bedarf nach alternativen Energien gerecht zu werden. Auch im Bereich der alternativen Mobilität sind Carbonfasern als leichtes Verstärkungsmaterial in Autos unter anderem für Wasserstofftanks von großem Interesse. Ein weiteres wichtiges perspektivisches Anwendungsfeld der Carbonfasern ist das Bauwesen. Sogenannter Carbonbeton ist leichter als Stahlbeton und korrodiert nicht. Schon heute werden bröckelnde Brücken damit nachhaltig saniert oder auch neu errichtet.
Mit Blick auf globale Umweltaspekte wächst im Bereich des Leichtbaus die Nachfrage nach biobasierten und nachhaltigen Hochleistungsmaterialien stetig, auch um grüne Technologien der Zukunft zu unterstützen. Hochleistungs-Carbonfasern auf Basis nachwachsender Rohstoffe sind derzeit jedoch praktisch nicht am Markt verfügbar.
Biobasierte Carbonfasern – Wo liegen die Herausforderungen?
Auf dem Weg zur Carbonfaser, die fast ausschließlich aus Kohlenstoff besteht, ist der Umweg über einen formbaren Präkursor notwendig, denn reiner Kohlenstoff ist weder löslich noch schmelzbar. Er lässt sich daher nicht direkt in Faserform überführen. »Die Herstellung von Carbonfasern aus Präkursoren, die auf nachwachsenden Rohstoffen wie Cellulose, Lignin oder Hemicellulose basieren, war bisher zwar prinzipiell möglich, jedoch sind bei den üblichen Pyrolysetemperaturen von bis zu 1600 °C die mechanischen Eigenschaften Steifigkeit und Festigkeit sehr beschränkt. Solche biobasierten Carbonfasern stellen keine ernstzunehmende Alternative zu den erdölbasierten Pendants für Hochleistungsanwendungen dar«, erklärt Dr. Jens Erdmann, Faserspezialist am Fraunhofer IAP.
Um biobasierte Carbonfasern für Hochleistungsanwendungen herzustellen, müssen also einige Nachteile überwunden werden:
1. Die schlechte Materialausbeute. Bisher werden nur etwa 10 bis 30 Gewichtsprozent des Präcursors zur Carbonfaser, je nach eingesetztem biobasiertem Rohstoff. Der Rest geht bei der thermischen Umwandlung vom Präkursor zur Carbonfaser in Form von gasförmigen Abprodukten verloren.
2. Der geringe Anteil an geordneten Kohlenstoffstrukturen in der Carbonfaser.
3. Die geringe Orientierung der geordneten Kohlenstoffstrukturen entlang der Faserachse. Sie bestimmt maßgeblich die Eigenschaften der Faser.
»Am Fraunhofer IAP haben wir uns aller drei Nachteile angenommen und forschen unter anderem mit Partnern aus der Industrie erfolgreich an praktischen und ökonomischen Lösungen«, so Erdmann.
Extreme Temperaturen für nur wenige Sekunden ermöglichen bessere Eigenschaften
»Die größte Herausforderung liegt jedoch darin, die mechanischen Eigenschaften, insbesondere Festigkeit und Steifigkeit, der biobasierten Carbonfasern um ein Vielfaches zu steigern«, so Erdmann. »Dafür haben wir einen speziellen Ultrahochtemperaturofen anfertigen lassen, in dem die biobasierten Carbonfasern zusätzlich für wenige Sekunden bei Temperaturen zwischen 2700 und 2900 °C thermisch nachbehandelt werden. In diesem Temperaturbereich lassen sich die Kohlenstoffstrukturen in der Faser durch Verstrecken so anordnen, dass sie in Richtung der Faserachse orientiert sind. Das macht die Fasern deutlich fester und steifer und sie erhalten mechanische Eigenschaften, die das Niveau erdölbasierter Carbonfasern erreichen. Wir erhalten sogenannte High-Modulus-Fasern«, so Erdmann.
Das Arbeitsprinzip des Ultrahochtemperaturofens ist vergleichbar mit dem einer Glühlampe, bei der durch einen filigranen Kohlenstofffaden so viel Strom geleitet wird, bis dieser so heiß wird, dass er glüht. Nur ist der Ofen um ein Vielfaches größer als eine Glühlampe. Statt des Kohlenstofffadens hat er ein massives Grafitrohr, das als Heizelement dient. Je nach angestrebter Temperatur wird ein Strom von bis zu 1500 Ampere hindurch geleitet bis es glüht. Die zu behandelnde Carbonfaser wird kontinuierlich durch das Rohr gezogen und dabei gezielt verstreckt. Unerlässlich ist hierbei eine Schutzgasatmosphäre, die sowohl den Ofen als auch die durchlaufende Faser vor thermo-oxidativer Zersetzung schützt.
Forschen für die Industrie
Mit dem neuen Ofen eröffnen sich für das Fraunhofer IAP, und damit auch für dessen Kooperationspartner, viele neue Möglichkeiten, um leichte und stabile Materialien zu entwickeln. Das bisherige Forschungsangebot – Herstellung von Fasern aus der Lösung und aus der Schmelze, Modifizierung von Biopolymeren, Polymersynthese, thermische Konvertierung und Analytik sowie Material- und Strukturcharakterisierung – wird um die Herstellung und Entwicklung von biobasierten Hochleistungs-Carbonfasern optimal ergänzt.
»In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass es für Unternehmen, die Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen im Bereich der Ultrahochtemperaturbehandlung von Fasern benötigen, äußerst schwierig ist, Partner zu finden, die über einen Ultrahochtemperaturofen verfügen. Am Fraunhofer IAP ist das jetzt möglich. Der Ofen ist ideal, um mit wenig Fasermaterial innerhalb kurzer Zeit viele Variationen von Parametern zu testen«, freut sich Jens Erdmann.
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