Heute hat der Bundestag das Bundesnaturschutzgesetz verabschiedet. Doch noch am Mittwoch hat der zuständige Ausschuss  für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit eine Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes auf den Weg gebracht.
Dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/11939) in geänderter Fassung stimmten Vertreter von CDU/CSU und SPD zu. Die Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen stimmten gegen den Entwurf. Der Entwurf soll am Donnerstag abschließend im Plenum beraten werden.
Mit ihrem Änderungsantrag hat die Koalition einen wesentlichen Kritikpunkt der öffentlichen Anhörung aufgegriffen. Die im Paragraph 57 Absatz 2 Bundesnaturschutzgesetz eröffnete Möglichkeit, Meeresgebiete „zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft“ zu erklären, erfordert weiterhin nur die „Beteiligung der fachlich betroffenen Bundesministerien“. Laut Regierungsentwurf hätte das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit künftig ein Einvernehmen mit diesen Ministerien herstellen müssen.  Mit diesem Änderungsantrag der Abgeordneten der Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD stoppte der Ausschuss den Plan der Bundesministerien für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Forschung per Vetorecht zukünftig effektive Meeresschutzmaßnahmen verhindern zu können.
Gestrichen wird mit dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen die im Regierungsentwurf vorgesehene Frist zur Errichtung des Biotopverbundes. Die geplante Regelung im Paragraph 21 Absatz 2 Bundesnaturschutzgesetz, nach der der Verbund bis zum 31. Dezember 2027 aufgebaut werden sollte, entfällt ersatzlos.
Ein Vertreter der CDU/CSU-Fraktion bezeichnete die Streichung der Einvernehmens-Regelung als „sachgerecht“. Beim Meeresschutz habe der nationale Gesetzgeber ohnehin „keinen Spielraum“. Es handle sich dabei um eine „Eins-zu-eins-Umsetzung“ völkerrechtlicher Vorgaben. Kritik übte der Unions-Vertreter an dem von den „Koalitionsspitzen“ gefundenen Kompromiss in Hinblick auf die Streichung der Biotopverbunds-Frist.
Ein Vertreter der SPD-Fraktion sah in dem Wegfall der Frist ebenfalls einen „Wermutstropfen“. Insgesamt sei es aber ein „sehr guter Tag für den Naturschutz“. So sei es gelungen, mit der Streichung der Einvernehmensregelung eine „erhebliche Verschlechterung“ abzuwehren.
Eine Vertreterin der Fraktion Die Linke begrüßte die Streichung der Einvernehmensregelung, kritisierte den Entwurf im Übrigen aber scharf. Der Wegfall der Frist für den Biotopverbund werde sich „verdammt negativ“ auswirken, sagte die Linken-Vertreterin.
Eine Vertreterin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sprach von einem „Armutszeugnis“. Sie sei zwar „dankbar“, dass mit der Streichung der Einvernehmensregelung eine „Katastrophe“ verhindert worden sei. Das als „Erfolg“ zu bezeichnen, gehe aber zu weit, denn der Entwurf gehe an den „realen Problemen“ vorbei. Die Grünen-Vertreterin verwies auf einen umfangreichen Änderungsantrag ihrer Fraktion, der unter anderem einen Ausbau der Einflussmöglichkeiten des Umweltministeriums auf land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bereiche beinhaltet.
Der Grünen-Änderungsantrag wurde wie auch ein Entschließungsantrag der Linken mit Koalitionsmehrheit abgelehnt.

Kampf der Umweltverbände beim Bundesnaturschutzgesetz
„Das Parlament hat den Ausverkauf der Meere noch einmal verhindert. Die Abgeordneten haben verstanden, dass die Änderung einen gefährlichen Präzedenzfall geschaffen hätte. Der Schutz der Meere und vielleicht sogar der gesamte Naturschutz in Deutschland hätten dauerhaft geschwächt werden können“, erklärten die Umweltverbände in einer gemeinsamen Stellungnahme.
Seit ihrer Veröffentlichung Ende 2016 hatten die Verbände die Gesetzesnovelle kritisiert, sprachen mit Bundestagsabgeordneten und schrieben einen Offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel. Anlass der Kritik: Paragraph 57. Dieser sollte den Bundesministerien – statt wie bisher eine Beteiligung – künftig ein sogenanntes Einvernehmen zusichern. Damit hätte jedes einzelne Ministerium Verordnungen und überfällige Maßnahmen zum Schutz der Meere blockieren können.
Dabei stehen die Meere schon jetzt erheblich unter Druck. „Selbst in den Schutzgebieten in Nord- und Ostsee wird intensiv gefischt, Rohstoffe werden abgebaut und auch die Schifffahrt ist enorm. Ein Vetorecht der Nutzerressorts hätte den Naturschutz hier endgültig ausgehöhlt“, so die Verbände. Mit der heutigen Entscheidung habe der Naturschutz einen wichtigen Etappensieg erzielt. Doch nun müsse es weitergehen. Aktuell stehen weitere entscheidende Verhandlungen zu den Schutzgebietsverordnungen und zur Regulierung der Fischerei an. „Deutschland muss endlich den Hebel umlegen und konkrete Schutzmaßnahmen erlassen. Sonst bleiben Schutzgebiete Papiertiger und der Meeresschutz vor der eigenen Haustür ein trauriges Lippenbekenntnis“, so die Verbände weiter.
Doch nicht alle Verbände zeigen sich zufrieden. Denn vor allem die Errichtung von Offshore-Windkraftanlagen im Meer sind Verbänden ein Dorn im Auge. Immer stärker treffen ökologische und ökonomische Interessen aufeinander.
So bemängelt die Deutsche Wildtierstiftung beim Bundesnaturschutzgesetz: Wenn Windkraftanlagen ohne Rücksicht auf geschützte Arten wie Fledermäuse und Rotmilan errichtet werden, kommen sie unter die Räder. Denn Natur- und Artenschutz stören häufig, wenn es um wirtschaftliche Interessen geht. Mit der beschlossenen Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes hat die Bundesregierung kurz vor der parlamentarischen Sommerpause Tatsachen geschaffen: Auf Betreiben des Bundesumweltministeriums wurde eine Neuregelung beschlossen, die bei Baumaßnahmen wie z.B. von Windkraftanlagen geltendes Gesetz zum Schutz von Arten aufweicht. Viele Arten stehen aufgrund der intensiven Landnutzung in Deutschland ohnehin schon enorm unter Druck – nun verschärft sich die Situation weiter. Tote Adler unter Windenergieanlagen, Feldhamster unter Beton eingeschlossen – in Zukunft kaum mehr ein Problem.“Wie rücksichtlos diese Ziele verfolgt werden, zeigt die Neuregelung im Rahmen des Paragraph 44 des Bundesnaturschutzgesetzes: „Es wurde mit einem Federstrich gegen Natur- und Artenschutz entschieden“, kritisiert Professor Dr. Fritz Vahrenholt, Alleinvorstand der Deutschen Wildtier Stiftung. Fakt ist: Es ist jetzt legal, wenn z.B. durch den Betrieb von Windkraftanlagen Wildtiere getötet werden! Besonders der neue Ausdruck der „Signifikanz“ ist problematisch. Erst ab dieser undefinierten Schwelle soll das bisherige Tötungsverbot wirken. Doch wer entscheidet, wie viele tote Tiere signifikant sind? Das geltende EU-Recht für geschützte Arten kennt diesen Begriff ebenfalls nicht.
„Im Interesse der Windkraftlobby setzen sich Bundesregierung und Bundestag mit dieser Entscheidung über das Tötungs- und Verletzungsverbot von Wildtieren hinweg“, bedauert Professor Dr. Vahrenholt. Über 25.000 Windenergieanlagen drehen mittlerweile in Deutschland ihre Rotoren. Der Raum wird knapp. Besonders im windarmen Süden Deutschlands werden die Anlagen daher zunehmend auch in Wäldern gebaut, wo der ökologische Schaden oft beträchtlich ist. Der Tod von Schwarzstorch, Wespenbussard und seltenen Fledermäusen wird nun als unvermeidbar dargestellt und damit quasi legalisiert.
„Wir können nur hoffen, dass dieser ungeheuerliche Angriff auf den Naturschutz in der nächsten Legislaturperiode wieder rückgängig gemacht wird und protestieren aufs Schärfste“, sagt Professor Dr. Fritz Vahrenholt, Alleinvorstand der Deutschen Wildtier Stiftung.
Die Änderung des Naturschutzgesetzes im Wortlaut
„….Zudem kann auch für Vorhaben privater Träger die Ausnahmevorschrift des § 45 Absatz 7 Satz 1 Nummer 5 in Anspruch genommen werden, wenn zugleich hinreichend gewichtige öffentliche Belange ihre Realisierung erfordern. Zu diesen Belangen gehört der Ausbau der Erneuerbaren Energien.“
Hintergrund
Formal sind rund 45 Prozent der deutschen Meeresflächen durch das Natura-2000-Netzwerk geschützt. Darunter sind die Schutzgebiete nach EU-Vogelschutzrichtlinie und FFH-Richtlinie zusammengefasst. Zehn Jahre nach ihrer Anerkennung durch die EU sollen die Natura-2000-Gebiete in der Ausschließlichen Wirtschaftszone endlich den rechtlichen Status von Naturschutzgebieten erhalten. Deutschland hatte bereits 2013 die EU-Frist zur Verankerung von konkreten Maßnahmen zum Schutz der Meere verpasst. Dieses Versäumnis ist Bestandteil eines Vertragsverletzungsverfahrens der EU-Kommission gegen Deutschland.