Handwerk hat goldenen Boden, ein landläufiges Sprichwort. Allerdings nur dann, wenn sich das Handwerk ständig weiterentwickelt. Immer wieder lies man, dass es in der mittelständischen Wirtschaft und vor allem im Handwerk große Probleme beim Thema Digitalisierung gibt.

Dabei bestehen typische Schwierigkeiten bei der Entwicklung und Etablierung von Prozessen, beim Management von Know-how und beim Einsatz neuer Technologien. Entsprechend wichtig ist es, konsequent an seinen Digitalisierungskonzepten zu arbeiten und langfristig zu denken. Nach einer Umfrage des Digitalverbandes Bitkom nutzen zwar schon zwei Drittel (68 Prozent) aller Handwerksbetriebe in Deutschland digitale Technologien und Anwendungen.

Vor zwei Jahren waren es mit 53 Prozent noch deutlich weniger, 2017 waren es sogar nur 45 Prozent. Bei mehr als der Hälfte der Handwerksbetriebe (56 Prozent) hat die Digitalisierung insbesondere durch die Corona-Pandemie an Bedeutung gewonnen. Und 55 Prozent der Handwerkerinnen und Handwerker sagen mittlerweile: Die Digitalisierung sichert die Existenz unseres Betriebes. Wie wichtig die Digitalisierung Malermeister Kevin Kluge aus Berlin ist, erläutert er im Interview. Er stellt den den traditionsreichen familiengeführten Malerbetrieb Kluge für die digitale Zukunft aufstellt.

Herr Kluge, welche Herausforderungen sind aktuell die größten in Ihrer Branche?

Kevin Kluge:

Hier sind vor allem die umfangreichen Dokumentationspflichten und komplexer werdende Auftragsabwicklungen zu nennen. Nicht minder herausfordernd sind der fortschreitende Fachkräftemangel und der demografische Wandel. Als Unternehmensführer muss man all diese Veränderungen im Blick haben und dabei nicht nur reagieren, sondern proaktiv Impulse anstoßen, die der Gesellschaft, den Kunden und den Mitarbeitern Mehrwerte bieten.

Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?

Kevin Kluge:    

Wir haben damit begonnen, langfristige Lösungen zu entwickeln und den Arbeitsaufwand zu reduzieren. Dabei kommt es uns vor allem darauf an, die Qualität unserer Leistungen für unsere Kunden dauerhaft hochzuhalten. Schnell zeigte sich dabei, dass die Gestaltung der Prozesse der wichtigste Ansatzpunkt ist. Hier konzentrieren wir uns vor allem auf die folgenden Bereiche.

  1. Sortieren

Zunächst haben wir alle Prozesse eruiert, die in unserem Unternehmen zum Einsatz kommen, und diese in Kategorien eingeteilt.

  1. Optimieren

Danach haben wir jeden Prozess einzeln genau analysiert. Dabei bestand das vordergründige Ziel darin, ihn zu verbessern und langfristige Standards zu entwickeln, an die wir uns in Zukunft halten. Dadurch wollen wir die Qualität unserer Arbeit und die Ergebnisse für unsere Kunden deutlich verbessern.

  1. Digitalisieren

Darauf aufbauend geht es an die Digitalisierung unserer Prozesse. Unser Fokus liegt dabei vor allem auf Transparenz. Jedes Mitglied unseres Teams soll einen genauen Überblick über alle Projekte und einen detaillierten Einblick in alle aktuellen Arbeiten haben.

  1. Automatisieren

Sehr einfache Aufgaben übernimmt das System selbstständig. Hier ist es uns wichtig, unsere Mitarbeiter von Routinen abzuziehen, sodass sie sich um die wirklich wichtigen und komplexen Teile von Aufgaben kümmern können. Da durch bekommen unsere Kunden deutlich bessere Leistungen und wir können die Ergebnisse deutlich verbessern.

Grundsätzlich verfolgen wir bei allen Anpassungen das Credo: Klarheit schafft Harmonie.

Wie viel Zeit hat die Integrierung ihrer digitalen Prozesse in Anspruch genommen?

Kevin Kluge: 

Die Prozessoptimierung in einem Unternehmen ist ein Vorgang, der niemals abgeschlossen ist. Wir beispielsweise beschäftigen uns seit mehr als drei Jahren intensiv mit unseren Prozessen. Seit einem Jahr sind unsere Hauptthemen Digitalisierung und Automatisierung. Alle Aufgaben, die damit in Verbindung stehen, werden aber auf jeden Fall noch einige Jahre in Anspruch nehmen. Schließlich gibt es immer wieder neue Herausforderungen, für die auch neue Lösungen gefunden werden müssen.

Eine große Rolle spielen hierbei die Faktoren Zeit und Individualität. Schließlich sind keine zwei Unternehmen genau identisch. Entsprechend wenig Aussicht auf Erfolg haben in den meisten Fällen Patentrezepte.

Haben Sie Ihre Prozessumstellung allein abgewickelt oder hatten Sie dabei Hilfe?

Kevin Kluge:     Der erste Impuls für die Veränderung kam aus unserem Team selbst. Es war für uns stets ein wichtiger Grundsatz, unsere Prozesse und uns selbst regelmäßig zu hinterfragen und die Arbeit mit uns für unsere Kunden und Mitarbeiter so angenehm wie möglich zu machen. Da man nach vielen Jahren natürlich immer auch eine gewisse Betriebsblindheit entwickelt, haben wir immer auch großen Wert darauf gelegt, externe Meinungen einzubeziehen.

So unterstützte uns etwa das Institut für Unternehmensführung dabei, unsere Abläufe selbstkritisch zu hinterfragen. Dabei erhielten wir wertvolles Know-how aus über 200 Partnerbetrieben. Ebenso beraten uns externe Digitalisierungsexperten und wir tauschen uns intensiv mit anderen Betrieben aus.

Wie läuft die Umgestaltung von Prozessen ab?

Kevin Kluge:     Die typischen Probleme bei der Prozessgestaltung sind den meisten Unternehmensführern bekannt. In vielen Fällen folgen die Mitarbeiter Routinen und bewältigen Schwierigkeiten eher unsystematisch. Die genaue Funktionsweise von Abläufen ist oft kaum dokumentiert. Das kann dazu führen, dass längere Zeit nicht durchgeführte Prozesse vergessen werden und eine erneute zeitintensive Einarbeitung notwendig wird.

Das heißt, dass eine nachhaltige Prozessgestaltung nur dann möglich ist, wenn alle Bestandteile lückenlos dokumentiert werden. Jeder Ablauf muss detailliert aufgezeichnet und bei Bedarf sofort verfügbar sein. Wir nutzen beispielsweise Checklisten. Das gilt ebenso für die Kommunikation, die zu jedem Task gehört. Das erleichtert es vor allem neuen Mitarbeitern, sich schnell in neue Aufgaben einzuarbeiten. Überdies gehen keine Informationen verloren.

Wie wirken sich die veränderten Prozesse auf Ihren Arbeitsalltag aus?

Kevin Kluge:     Durch die Automatisierung von Prozessen kann viel Zeit eingespart werden. Diese nutzen wir vor allem, um unsere Projekte voranzubringen und unseren Kunden neue Mehrwerte zu bieten. Ein weiterer Pluspunkt besteht darin, dass unsere Mitarbeiter mit deutlich weniger Stress und wesentlich effektiver arbeiten. Und das kommt letztendlich auch unseren Kunden zugute.

Trotz Digitalisierung, ohne wirkliche Handwerklichen Fähigkeiten gehts natürlich nicht. ©Malerbetrieb Kluge, Foto: Philipp Arnoldt.

Sind für die Zukunft weitere Maßnahmen geplant?

Kevin Kluge:     Mittelfristig wollen wir unsere Digitalisierungskonzepte auch auf der Facharbeiter-Ebene umsetzen. Bei unseren bestehenden Lösungen gibt es hier noch deutliche Verbesserungspotenziale.

Lassen Sie uns zum Schluss noch ein Fazit ziehen. Wie würden Sie den aktuellen Stand der Digitalisierung im Handwerk zusammenfassen?

Kevin Kluge:     Wenn man sich mit anderen Betriebsinhabern unterhalt, kann man oft noch eine gewisse Zurückhaltung spüren. Ein wesentlicher Grund hierfür sind die hohen Investitionsvolumina. Wenn man aber etwas genauer hinsieht, erkennt man schnell, dass sich die Kosten in kürzester Zeit amortisieren. Eine wesentliche Voraussetzung hierfür ist aber, dass die Maßnahmen systematisch und konsequent umgesetzt werden.

Über Kevin Kluge

Kevin Kluge führt zusammen mit seinem Vater Olaf Kluge das Familienunternehmen Malerbetrieb Kluge GmbH. Der erfahrene Malermeister in 5. Generation machte seine Ausbildung im väterlichen Betrieb und erhielt 2013 den Titel „Staatlich geprüfter Techniker für Farb- und Lacktechnik“. In Zusammenhang damit absolvierte er die Prüfung zum Malermeister, die er mit Auszeichnung für die beste Bewertung in seinem Jahrgang bestand. In der Geschäftsführung des Malerbetriebs Kluge ist er seit 2017 tätig.