Die Schweiz hat sich für ihre Energiezukunft ehrgeizige Ziele gesetzt. Bundesrat und Parlament haben den schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen, gleichzeitig soll der Anteil fossiler Brennstoffe an der Energieversorgung deutlich verringert werden.
Doch die Frage ist: Wie kann die Schweiz künftig ihren Energiebedarf decken, ohne die Klimaschutzziele zu gefährden? In welchem Ausmass ist Geothermie in der Alpenrepublik als Ressource tatsächlich nutzbar und welche wirtschaftlichen Kosten fallen dabei an? Welche ökologischen und risikobezogenen Begleiterscheinungen sind zu erwarten? Wie fällt die Gesamtleistung der Geothermie im Vergleich zu konkurrenzierenden Energiequellen aus? Erlauben es der Regulierungsrahmen und die Akzeptanz in der Öffentlichkeit überhaupt, einen wesentlichen Teil des Energiebedarfs durch diese Energie aus dem Untergrund zu decken?
Neben einer Verbesserung der Energieeffizienz ruhen die Hoffnungen in der Schweiz und übrigens auch anderswo auf dem Ausbau von „neuen“ erneuerbaren Energiequellen wie Sonne und Wind. Die Stromproduktion aus diesen Ressourcen unterliegt jedoch wetter- und tageszeitbedingten Schwankungen. Gleichmässig anfallende Bandenergie (sogenannte Grundlast) könnte zwar aus Biomasse gewonnen werden, dies ist aber mit der Emission von Feinstaub und Treibhausgasen verbunden.
Und was ist mit der nahezu unerschöpflichen Energiereserve, die unter unseren Füssen schlummert? Vier bis fünf Kilometer unter der Erdoberfläche herrscht in der Schweiz eine Temperatur von rund 150°C: Wärmeenergie, die sowohl für die Strom- als auch die Wärmeproduktion genutzt werden kann. Die Tiefengeothermie stellt eine erneuerbare und einheimische Energiequelle in Aussicht, die CO2-frei Bandenergie liefern kann – unabhängig von der Tages- und Jahreszeit oder Wetter- und Windverhältnissen. Das macht sie zu einer Hoffnungsträgerin für die Energiezukunft der Schweiz.
Herausforderungen bei Geothermie
Doch die Tiefenenergie steht auch vor vielen Herausforderungen. Solche Tiefbohrungen im harten Gestein sind aufwendig, teuer und technologisch anspruchsvoll. Das fehlende Wissen über den Schweizer Unter-grund macht es schwierig, die potenziellen Ressourcen abzuschätzen – damit sind Tiefengeothermie-projekte mit einem beträchtlichen finanziellen Risiken behaftet. Nicht zu vernachlässigen ist auch das Risiko von Erdbeben, wie sie die Schweiz im Zusammenhang mit den Projekten in Basel und St. Gallen er-schütterten.
In welchem Ausmass ist Geothermie in der Schweiz als Ressource tatsächlich nutzbar und welche wirtschaftlichen Kosten fallen dabei an? Welche ökologischen und risikobezogenen Begleiterscheinungen sind zu erwarten? Wie fällt die Gesamtleistung der Geothermie im Vergleich zu konkurrenzierenden Energiequellen aus? Erlauben es der Regulierungsrahmen und die Akzeptanz in der Öffentlichkeit überhaupt, einen wesentlichen Teil des Energiebedarfs durch diese Energie aus dem Untergrund zu decken?
Diesen und weiteren Fragen widmete sich die breit angelegte und interdisziplinäre TA-SWISS-Studie «Energy from the earth: Deep geothermal as a resource for the future?» unter der Leitung von Stefan Hirschberg vom Paul Scherrer-Institut (PSI). Insgesamt 32 Forscherinnen und Forscher aus dem PSI, der ETH Zürich, der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) und dem Institut Dialogik in Stuttgart haben dabei die Chancen und Risiken der Tiefengeothermie untersucht. Die Analysen gehen nicht nur auf die geologischen Rahmenbedingungen und die technischen, ökonomischen und ökologischen Aspekte der Geothermie ein, sondern befassen sich auch mit dem rechtlichen Rahmen und der gesellschaftlichen Beurteilung der neuartigen Energieproduktion.
Die wichtigsten Empfehlungen der TA-SWISS-Studie:
Bedeutung: Die Geothermie stellt eine der wenigen «neuen» erneuerbaren Optionen dar, die am Strommarkt für die Grundlastversorgung in Frage kommen und damit wesentlich zur Versorgungssicherheit beitragen könnten. Die künftige potenzielle Rolle der Geothermie in der Schweiz muss daher im Kontext des gesamten Energieversorgungssystems gesehen werden.
Forschung: Angesichts der erheblichen Unsicherheit über die potenziellen Geothermiereserven der Schweiz ist eine umfangreiche nutzungsgetriebene Forschungsinitiative in Verbindung mit einem Programm aus Pilot- und Demonstrationsprojekten erforderlich: Die Erforschung des tiefen Untergrunds ist voranzutreiben und anhand von Pilotprojekten sollten weitere Erfahrungen für den Bau und den Betrieb geothermischer Anlagen gesammelt werden. Zu erwägen wäre auch, Konzessionen zur Exploration und Nutzung von Geothermie an die Bedingung zu knüpfen, die von den Konzessionären erhobenen geologischen Daten öffentlich zugänglich zu machen.
Förderung: Strom aus Tiefengeothermieanlagen weist unter normalen Betriebsbedingungen eine günstige Umweltbilanz auf. Aus ökologischer Sicht und besonders mit Blick auf den Klimaschutz könnte die Geothermie deshalb einen attraktiven Beitrag zum künftigen Energiemix der Schweiz leisten. Eine weitere Förderung der Geothermieproduktion ist jedoch notwendig, um den Markt zu verbreitern und Unternehmen zu motivieren, ihre Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen zu verstärken.
Regulierungsrahmen: Die Nutzung des Untergrunds wird in der Schweiz von den Kantonen reguliert. Es sind Modelle zu entwickeln, um den Parcours durch die kantonal unterschiedlichen Bewilligungsverfahren zu vereinfachen, zu koordinieren und zu beschleunigen. Denkbar sind z. B. ein Konzentrationsmodell, bei dem eine Behörde oder ein Kompetenzzentrum des Bundes den Inhalt der verschiedenen Bewilligungen koordiniert und diese gebündelt erteilt.
Erdbebenrisiko: Erdbebenrisiken können bewertet und kontrolliert, nicht aber ausgeschlossen werden. Die Erfolgsquote und die wirtschaftliche Machbarkeit der Tiefengeothermie hängt wesentlich davon ab, welches seismische Risiko die verschiedenen Interessensgruppen zu tragen bereit sind.
Gesellschaftliche Debatte: Ein möglicher Verkauf der Abwärme würde die Durchschnittskosten der Geothermie nachweislich deutlich reduzieren. Der klare betriebswirtschaftliche Nutzen des Abwärme-verkaufs steht allerdings in einem Spannungsfeld zwischen der benötigten räumlichen Nähe zu den Wärmeabnehmern und der gewollten Distanz zu Anwohnern, die sensibel auf induzierte Seismizität, Lärm und Eingriffe in das Landschaftsbild reagieren könnten. Welche Risiken und Einschränkungen für die Schweizer Bevölkerung akzeptabel sind, muss letztlich gesellschaftlich diskutiert und festgelegt werden.
Dialog und Transparenz: Der gesamte Prozess der Planung, Standortwahl und Umsetzung von Geothermieprojekten muss eng begleitet, d.h. sorgfältig geplant, fortlaufend überwacht und genau evaluiert werden. Dabei sind alle Interessensgruppen und die Öffentlichkeit einzubinden und bei der Charakterisierung von künftigen Standorten für (Pilot-)Projekte sollten neben technischen auch gesell-schaftliche Kriterien einbezogen werden. Tiefengeothermieprojekte sollten frühzeitig den Aspekt der Kommunikation und der öffentlichen Partizipation berücksichtigen sowie Chancen und Herausforderungen, inklusive Risiken und Strategien zu deren Verringerung, klar und offen ansprechen.
Studie
«Energy from the earth: Deep geothermal as a resource for the future?». Stefan Hirschberg, Stefan Wiemer, Peter Burgherr (eds.). TA-SWISS, Zentrum für Technologiefolgen-Abschätzung (Hrsg.). vdf Hochschulverlag an der ETH Zürich, 2015. ISBN 978-3-7281-3654-1
Die Studie steht ebenfalls als eBook zum freien Download zur Verfügung:
http://www.vdf.ethz.ch/info/showDetails.asp?isbnNr=3654
Kurzfassung der Studie
«Strom aus dem Untergrund». TA-SWISS (Hrsg.). Bern, 2015.
Kurzfassung und weitere Informationen zu Projekt und Studie finden Sie unter:
https://www.ta-swiss.ch/projekte/mobilitaet-energie-klima/tiefengeothermie/
Hinterlasse einen Kommentar