Die längste Fahrt, die jemals von einem autonomen Fahrzeug in Mexiko zurückgelegt wurde, haben jetzt Forscher der Freien Universität Berlin durchgeführt. Dabei ging es nicht nur durch die mexikanische Wüste, sondern auch durch Städte. Gestern nun erreichte das Auto Mexiko-City.
Ein Jahr lang haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler diese Erprobungsfahrt vorbereitet. Am vergangenen Sonntag erreichte das autonome Auto nach 1650 Kilometern von der US-amerikanisch-mexikanischen Grenze aus die Stadt Guadalajara. Das Auto, ein Volkswagen, der mit sehr viel zusätzlicher Technik versehen wurde, fuhr durch vier mexikanische Bundesstaaten und durchquerte die Halbwüste von Sonora, tropische Gebieten in Sinaloa und überquerte die Berge bis Jalisco.
Zu bewältigen waren unter anderem neue Autobahnen, aber auch zahlreiche Baustellen, darüber hinaus alte enge Strecken ohne Spurmarkierungen und ohne Standstreifen. Eine besondere Schwierigkeit bei der Programmierung: Die Autobahn Nogales-Guadalajara wird mehrmals durch urbane Gebiete unterbrochen. Die notwendige „Fahrintelligenz“ musste deswegen für ein autonomes Fahrzeug höher sein als bei perfekt gebauten und breiten Autobahnen. „Daran lag gerade der Reiz des Experiments in Mexiko, dass von Streifenwagen der mexikanischen Bundespolizei begleitet wurde“, erklärte Rojas.
Daten sammeln
Das Team besteht aus Mitarbeitern unter der Leitung durch Professor Raúl Rojas und Professor Daniel Göhring vom Fachbereich Mathematik und Informatik. Schon im September fuhren Mitarbeiter der Informatik durch die USA und Mexiko und sammelten die Daten von 6.000 km Autobahn in beiden Ländern; sie kooperierten dabei mit der Universität von Nevada in Reno. Die notwendigen Navigationskarten für autonome Fahrten müssen viel detaillierter und komplexer sein als für herkömmliche Navigationsgeräte. Die Berechnungen für die Erstellung der Karten mit den gesammelten Daten fanden in Berlin bis Anfang Oktober statt. Nun wurden die Karten in der Praxis getestet.
Weltweites Interesse an autonomen Fahren
„Ein autonomes Fahrzeug funktioniert quasi wie ein Taxi“, sagt Raúl Rojas, „mit dem Unterschied, dass der Taxifahrer ein Computer ist“. Das weltweite Interesse für das autonome Fahren hat in den vergangenen Jahren sprunghaft zugenommen.
In dem Zusammenhang bereitet sich die Autoindustrie auf die Einführung des Autopiloten für Autobahnen vor. Von 2020 an soll es so weit sein, und die Fahrer werden auf Druckknopf einen Autopiloten starten können, der die Spur halten und, falls notwendig, auch überholen kann. Bis die Technologie weit genug ausgereift ist, autonomes Fahren in der Stadt zu ermöglichen, werden jedoch noch Jahrzehnte vergehen.
Der Erprobungsträger der Freien Universität Berlin, das Fahrzeug AutoNOMOS, ist seit 2011 für den Straßenverkehr in Berlin zugelassen, sowohl für die Stadtautobahn als auch für alle anderen Straßen. Hier leistet das Vorhaben der Freien Universität Pionierarbeit, auch für die Industrie, weil frühzeitig die Probleme des Autos der Zukunft erkannt werden können. An der Freien Universität Berlin wird außerdem an Lösungen geforscht, die es ermöglichen, etwa die Intentionen der anderen Verkehrsteilnehmer automatisch zu erkennen.
Für die lange Fahrt durch Mexiko waren die vielen Sensoren im Auto unerlässlich. Das Fahrzeug AutoNOMOS verfügt über sieben Laserscanner, neun Videokameras, Radare vorne, hinten und an den Seiten sowie über ein hochgenaues GPS-System. Mit all den Sensoren werden die Verkehrssituation, die Position und Geschwindigkeit anderer Fahrzeuge, die Präsenz von Fußgängern sowie die Ampelphasen sicher erkannt. All diese Informationen werden gebündelt, in einem Weltmodell zusammengefasst und an den Hauptrechner weitergegeben. Dieser plant und entscheidet dann unter Beachtung der Verkehrsregeln, wie zu fahren ist.
Für Mexiko Anpassungen vorgenommen
Angestrebt wird immer, dass das computergesteuerte Auto sanft, also ohne unnötiges Lenken fährt, dazu komfortabel beschleunigt und bremst. Dies wurde in dem Fahrzeug der Freien Universität weitgehend realisiert. Die frühere Bildungsministerin Annette Schavan, die Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer und der Gouverneur des US-Bundesstaats Nevada haben bereits als Passagiere in dem Auto gesessen, und zwar im normalen Berliner Stadtverkehr. Für die Bewältigung der mexikanischen Straßen war es notwendig, viele Anpassung vorzunehmen. Die zahlreichen Schlaglöcher etwa machen autonomen Fahrzeugen das Leben besonders schwer. Im Laufe der Erprobungsfahrt in Mexiko wurden Fahrparameter angepasst, und das Ergebnis ließ sich sehen: sehr weiche Überholvorgänge, auch bei Tempo 130, konnten demonstriert werden. Das Fahrzeug hat alle Gefahren auf der Autobahn erkannt und jeweils entsprechend reagiert.
Das Vorhaben in Mexiko wurde durch die Forschungsagentur CONACYT, durch die Technische Universität (IPN) und durch die Berliner Firmen Autonomos Gmbh und IAV Gmbh unterstützt. Nicht ohne Grund: aus solchen Experimenten können wichtige Erkenntnisse gewonnen werden, die für die Weiterentwicklung von autonomen Fahrzeugen notwendig sind.
Zurück in Berlin wird das Team die Entwicklung des nächsten Fahrzeugs beginnen. „Angestrebt wird ein miniaturisiertes Fahrsystem, eines, bei dem die Sensoren und Computer nicht mehr sichtbar sind, ein System das zudem viel erschwinglicher sein soll“, sagt Daniel Göhring.
In Mexiko selbst wurde das Ereignis von der Presse intensiv kommentiert. Bereits im Jahr 2012 hatte das Team der Freien Universität bereits Mexico-Stadt besucht, doch die Fahrten dort deckten nur wenige Kilometer ab. Nun haben die Forscher eine persönliche Bestleistung aufgestellt, was die Komplexität der Fahrt sowie die Länge der Strecke angeht. In Berlin wird von November an weiter am Auto der Zukunft gearbeitet.
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