Brasilien ist der weltweit größte Produzent von Soja, doch für den Anbau von dieser proteinhaltigen Pflanzen werden je Menge Flächen verbraucht. Was das mit dem Fleischkonsum in Deutschland zu tun hat? Ein Teil des brasilianischen Sojas landet als Tierfutter in deutschen Mastbetrieben und wird an Rinder, Schweine und Hühner verfüttert. Darüber hinaus, so schätzen Experten, stammen 20 Prozents des Sojas für Tierfütterung in Europa kommen aus illegaler Abholzung. Vor allem Indigene leiden darunter.  Aber nicht nur das, auch die brasilianischen Rinderzüchter stehen in harter Konkurrenz zu den deutschen Landwirten. 

Tatjana Mischke hat für die öffentlich-rechtlichen einen Film gedreht mit dem Titel: Billiges Fleisch – wer bezahlt für die kleinen Preise? , der den Zusammenhang von Regenwald, Tierproduktion in Brasilien und Rodung von Regenwald aufzeigt. FAIReconomics hat mit Tatjana Mischke, die seit 2007 als freie Journalistin, Autorin und Redakteurin für verschiedene Fernsehsender, wie z.B. ARD, WDR, SWR, HR, Vox und Arte, arbeitet, gesprochen.

Tatjana, Du hast einen Film gemacht, zum Fleischkonsum. Was hat die deutschen Fleischtheke oder der Discounter mit Brasilien zu tun, von wo ihr auch berichtet habt?

Sehr viel mehr, als es im ersten Augenblick scheint. Denn Fleisch ist eine Art globale Währung geworden und für viele Supermärkte und Discounter die beste Möglichkeit, mit unglaublichen Schnäppchen-Preisen Kundschaft in den Laden zu locken. Es ist eine Art globales Wettrennen entbrannt darüber, wer Fleisch am billigsten produzieren kann. Die Länder im südamerikanischen Raum haben da aufgrund der natürlichen Ressourcen wie zB viel fruchtbarem Land aber auch wegen der billigen Arbeitskräfte einfach die Nase vorn. Und so drücken sie im globalen Preisrennen indirekt auch die Fleischpreise von deutschen Landwirten. 

Im Prinzip könnte man meinen, je höher der Fleischkonsum weltweit ist, desto bessert geht es den Menschen. Warum ist der Konsum von Fleisch dennoch oder gerade deswegen so problematisch.

Wir konsumieren nur deshalb so viel Fleisch, weil wir dafür im Supermarkt weniger zahlen, als es eigentlich kostet. Dazu gibt es mittlerweile immer mehr wissenschaftliche Studien. Und sogar einzelne Supermärkte haben angefangen dies auf den Preisschildern anzugeben. 

Wenn man nämlich die Umweltschäden, die bei der Herstellung von Fleisch entstehen auch einberechnen würde, wäre Fleisch deutlich teurer. In unserem Verständnis von Wirtschaft sind wir bisher davon ausgegangen, dass es für die Gesellschaft immer gut sei, wenn von einem Produkt möglichst viel und möglichst billig angeboten werden kann. Aber so langsam merken wir, dass das nicht die ganze Rechnung ist. Denn bei dieser Art der Produktion entstehen Umweltschäden, für die die Gesellschaft doppelt und dreifach zahlt. 

 Was hat die Produktion von Fleisch in Argentinien oder Brasilien mit Landwirtschaft in Niedersachsen, Brandenburg oder sonst wo in Deutschland zu tun?

Je mehr billiges Fleisch aus dem Ausland bei uns auf den Markt kommt, umso billiger müssen die Landwirte hier produzieren. Und da der Landwirt in Deutschland zum Beispiel für Land viel viel mehr zahlen muss als der Landwirt in Südamerika kann er nur konkurrieren, indem er an einer anderen Stelle spart. Und das geht dann häufig eben zulasten der Tiere oder der Umwelt in Deutschland.  

Die deutschen Verbraucher gelten als unglaublich preisbewusst, wie kann man dieses Verhalten beeinflussen?

Uff – schwere Frage. Ich glaube, da gibt es viele Menschen und besonders Landwirte, die sich ein Patentrezept wünschen würden. Für viele Menschen, die finanziell knapp bei Kasse sind, ist es wichtig, dass die Politik eine verträgliche Lösung findet. Für andere Menschen ist es ein Sport, so billig wie möglich einzukaufen, obwohl sie eigentlich genug verdienen. Da kann man nur hoffen, dass irgendwann der Groschen fällt, dass „billig“ eigentlich sehr „teuer“ ist. 

 Gemeinhin wird Biofleisch für besser gehalten, als konventionelles, ist es nicht besser, komplett auf den Verzehr von Fleisch zu verzichten?

Das glaube ich nicht. Wir müssen nur besser darüber nachdenken, wie das Fleisch produziert wird. Im Moment erlauben wir uns einen enormen Luxus, indem weltweit viel Land für Rinderhaltung und den Futtermittelanbau verschwendet wird. Wenn wir uns dann noch vor Augen führen, dass wir rund ein Viertel davon wegschmeißen, bevor das Fleisch bei uns auf dem Teller landet, dann muss man nicht viel rechnen, um festzustellen, dass so viel Verschwendung indirekt auch eine Gefahr für eine Gesellschaft sein kann. Und derzeit helfen jene, die ganz auf Fleisch verzichten, etwas diese Verschwendung zu kompensieren. 

Welchen Einfluss wird das Mercosur Abkommen, ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Lateinamerika auf die bäuerlichen Betriebe hier haben… und welche politischen Einflüsse und Interessen stehen dahinter?

Die möglichen Folgen werden unterschiedlich wahrgenommen. Für Landwirte, die sowieso schon häufig kurz davor sind, ihre Höfe aufgeben zu müssen, ist es wie der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Da stehen ganze Existenzen auf dem Spiel.  Grundsätzlich leben wir ja in einem Wirtschaftssystem, das davon ausgeht, dass unbegrenzter Freihandel und Export von Lebensmitteln automatisch positiv sei. Tatsächlich erlebe ich in vielen Ländern, dass immer häufiger darüber diskutiert wird, ob es sinnvoll sein kann Lebensmittel aus dem Freihandel auszunehmen. Das sind Bedingungen, die noch bis in die 90er-Jahre – also bis zu der Uruguay-Runde ganz normale Realität waren. Heute wird das als protektionistisch abgelehnt. Aber tatsächlich haben einige Landwirte in Südamerika ebenso mit dem Gedanken gespielt wie Landwirte in Deutschland oder der Schweiz. Ich glaube, diese Diskussion wird in den kommenden Jahren noch stärker geführt werden. 

Welchen Zusammenhang gibt es zwischen den verheerenden Bränden in Brasilien, speziell im Amazonasgebiet und im Pantanal und unserem Fleischverbrauch?

Der Grund für eine Vielzahl der Brände ist der Bedarf nach billigem Land für die Rinderzucht.  Zusätzlich spielt der Hunger nach Land für die Sojaproduktion eine grosse Rolle.  Tatsächlich hat mich diese Fahrt nach Brasilien auch persönlich als Mensch sehr berührt. 

Wir sind auch in ein Gebiet gefahren, wo Kleinbauern mit Waffengewalt von Land vertrieben werden, um da Rinder zu züchten. Das Fleisch dieser Rinder landet dann später häufig in Hamburgern oder anderen Billigprodukten. Was aber die Menschen dafür erleiden, dass das Fleisch möglichst billig bleiben soll, ist unbeschreiblich. Sie haben Morddrohungen erhalten, es wurde auf sie geschossen, die Felder und ihr Eigentum wurden zerstört. Ihre Lage ist unglaublich trostlos. Sie können nicht einfach woanders hingehen. Und die internationale Gemeinschaft kümmert sich um diese Konflikte kaum. Ich habe während der Gespräche mit den Bewohnern in dem Camp und während der Schilderung dieser Menschen immer wieder daran denken müssen, wie schnell wie hier in Europa einen Hamburger einfach mal wegschmeißen – eben weil er uns so billig erscheint. Aber was das für Menschen in anderen Ländern bedeutet, das wissen wir leider häufig gar nicht. 


Tatjana Mischke hat Regie und Dramaturgie am Mozarteum in Salzburg und der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin studiert. Neben der Tätigkeit als TV – Autorin arbeitete sie viele Jahre auch als Regisseurin für zahlreiche Theater und deutschsprachige Bühnen, wie z.B. dem Nationaltheater Mannheim, den Salzburger Festspielen und den Kammerspielen Hamburg.


Billiges Fleisch – wer bezahlt für die kleinen Preise?