Die Bereitstellung von Wärme über Rohrleitungen ist immer mit Verteilverlusten verbunden. Kann eine intelligente Regelstrategie in Gebäuden diese Verluste verringern und somit die Energieeffizienz steigern? Wissenschaftler der Ostfalia Hochschule haben zusammen mit regionalen Projektpartnern im Forschungsprojekt „BRiGA – Bedarfsgerechte Regelung durch intelligente Gebäudeautomation“ untersucht, wie sich eine solche bedarfsgerechte Regelstrategie auswirkt.
Zur Errechnung der Vorlauftemperatur im Rohrnetz wurde nicht wie herkömmlich die Außentemperatur herangezogen, sondern der tatsächliche Wärmebedarf anhand der Heizventilstellung ermittelt. Dadurch werden auch innere Wärmegewinne wie zum Beispiel die Erwärmung eines Raumes durch Sonneneinstrahlung oder durch anwesende Personen berücksichtigt. Das Projekt „BRiGA“ wurde zudem herstellerneutral umgesetzt und gewährleistet so eine Regelstrategie, die von herstellerspezifischen Automationsstationen unabhängig ist und offene Busstandards nutzt.
Modellversuch
Im Modellversuch konnten die Wissenschaftler die distributiven Verluste der Heizwasserverteilung durch die bedarfsgerechte Regelung effektiv senken. Die am Versuchsstand erzielten energetischen Einsparungen sind mit der Dämmung des Rohrnetzes auf einen höheren Standard vergleichbar: Bis zu sechs Prozent des gesamten Energieaufwandes konnten allein durch die Umstellung der Regelart eingespart werden. In der Praxis ist im Vergleich zur Dämmung außerdem mit geringeren Investitionskosten zu rechnen.
Ergebnispräsentation
Die Ergebnisse des praxisbezogenen Forschungsprojekts an der Ostfalia Hochschule wurden vor Kurzem in der Fakultät Versorgungstechnik in Wolfenbüttel zusammen mit Vertretern der am Projekt teilnehmenden Unternehmen INGA (Ingenieurgesellschaft für Gebäudeautomation mbH) aus Hameln und der Möhlenhoff GmbH aus Salzgitter abschließend besprochen. Seit 2011 befassten sich die Wissenschaftler im Labor für Regelungstechnik und Gebäudeautomation unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Manfred Heiser mit der „BRiGA“-Forschung im Bereich der Regelungstechnik. Gefördert wurde das Projekt durch die „Arbeitsgruppe Innovative Projekte der angewandten Hochschulforschung“ (AGIP) und durch das Programm „Europa fördert Niedersachsen“ (EFRE) der Europäischen Union.
Professor Heiser freut sich besonders über die regionale Unterstützung aus Niedersachsens Mittelstand: „Unser Ziel im Rahmen des Forschungsprojekts war die Zusammenarbeit mit regionalen Unternehmen. Mit den Firmen INGA und Möhlenhoff haben wir in der Region Spezialisten im Bereich der Gebäudeautomation, die sich als ideale Forschungspartner herausgestellt haben.“ Heiser hebt vor allem die unbürokratische und gute Zusammenarbeit mit den Partnerfirmen hervor, die das Projekt mit Software, Komponenten und Spezialwissen unterstützt haben. Die Unternehmen ihrerseits profitieren neben den Forschungsergebnissen vor allem vom guten Kontakt zur Hochschule und dem direkten Kontakt zu Absolventinnen und Absolventen der Energie- und Gebäudetechnik.
Versuchsstand entwickelt
Eigens für das Projekt wurde auch ein Versuchsstand zur Untersuchung der verschiedenen Regelstrategien entwickelt. Dieser kann zukünftig im Labor für Regelungstechnik und Gebäudeautomation von Studierenden genutzt werden. Der Ingenieur und wissenschaftliche Mitarbeiter des Projekts Nico Lamberti erklärt das Vorgehen bei der Modellentwicklung: „Unser Ziel war es, möglichst realitätsnah zu arbeiten. Wir haben daher als Referenz die Daten von drei Vorlesungssälen erfasst und auf unseren Versuchsstand übertragen. Mit drei Wasserbehältern können wir das thermische und zeitliche Verhalten dieser Räume simulieren und die verschiedenen Regelstrategien anwenden und direkt vergleichen.“ Durch Einsatz der Gebäudeleittechnik-Software „intelliBMS“ des Kooperationspartners INGA wurde zusätzlich ein Managementtool eingeführt, das eine reibungslose Datenaufzeichnung und Überwachung aller Datenpunkte am Versuchsstand ermöglicht.
Rohrleitungsverluste
Das Modell der Wissenschaftler beschränkt sich derzeit auf die Reduzierung der Rohrleitungsverluste, somit sind die Ergebnisse stark vom Dämmstandard des Leitungssystems abhängig. Je schlechter die Dämmung, desto größer ist der Effekt durch eine bedarfsgerechte Regelstrategie. Für Professor Heiser ist das Ergebnis aber kein Aufruf, nicht zu dämmen: „Die Dämmung des Rohrnetzes wird durch eine bedarfsgerechte Regelung natürlich nicht überflüssig. Dennoch kann es Objekte geben, in denen eine Dämmung beispielsweise durch Denkmalschutzauflagen nicht möglich ist oder eine energetische Sanierung erst später geplant ist. Hier kann die bedarfsgerechte Regelung eine schnelle und kostengünstige Optimierung darstellen. Die Investitionskosten sind bei der Umstellung der Regelstrategie zudem fix und nicht von der Länge des Rohrnetzes abhängig.“
Die bedarfsgerechte Regelung ist neben der Dämmung und weiterer Instrumente der Gebäudeautomation wie beispielsweise der Nachtabsenkung oder der Raumüberwachung eine interessante Möglichkeit, Einsparungen zu erreichen. Trotz aller Berechnungen spielt in der Praxis aber vor allem das Nutzerverhalten eine maßgebliche Rolle. Ein geöffnetes Fenster, von dem das System nichts weiß, birgt bereits zusätzliches Verschwendungspotential. „Hier kann aber schon ein einfacher Fensterkontakt als Sensor Abhilfe schaffen“, weiß Michael Rautmann als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Forschungsprojekts BRiGA.